Verlage geben digitalen Markt kampflos auf

von | 10. November 2011

"Virtuelle Kioske" bieten Medienhäusern großes Potential auch digital Erlöse zu generieren. Die deutschen Verlage überlassen den Zukunftsmarkt jedoch Drittanbietern wie "Yahoo".

Um die Einbrüche der Verkaufszahlen und der Werbeeinnahmen in der Printbranche aufzufangen, suchen Verlage intensiv nach neuen Geschäftsmodellen. „Die digitalen Geschäfte wachsen sehr stark“, stellt Peter Klotzki, Kommunikationschef des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), fest. Trotzdem ist das Online- und App-Geschäft für viele Printverlage noch nicht rentabel. Um längerfristig zu überleben brauchen sie dieses neue Standbein aber. Aktuell vergeben die Verleger jedoch wieder eine Chance, im Internet Geld zu verdienen.

Die deutschen Verlage überlassen den Vertriebsweg der Zeitungs- und Zeitschriften-Apps großteils branchenfremden Unternehmen. Um den Rahmenbedingungen und Konditionen dieser Anbieter wie „Apple“, „Google“ oder „Yahoo“ zu entgehen, gibt es für Verlage aber auch die Möglichkeit sich zusammenzuschließen und einen eigenen „virtuellen Zeitungskiosk“ zu entwickeln. Davon macht aber kein Publisher Gebrauch.

„Verlage kommen nicht auf gemeinsamen Nenner“

„Kooperationen sind wichtig, um sich gegen branchenfremde Anbieter zu positionieren“, erklärt Holger Kansky, Multimedia-Referent des Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Bei einem solchen Modell hätten die Verlage die komplette Wertschöpfungskette allein in der Hand, das biete Vorteile. „Darüber hinaus können sie die Kundenbeziehung erhalten und sich auf eine bestimmte Zielgruppe ausrichten“, erklärt Kansky.

Auch crossmediale Produkte könnten so gemeinsam effektiver vermarktet werden. „Auf diesem Wege könnten die Verlage der Zensur des Betreibers entgehen und darüber hinaus sowohl die Endkundenhoheit, als auch die Anzeigenhoheit bewahren“, ergänzt Klotzki vom VDZ. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Provision von üblicherweise 30 Prozent des App-Kaufpreises nicht an den Plattformbetreiber entrichtet werden muss, sondern direkt beim Verleger bleibt. Laut Kansky vom BDZV ist ein solches Modell zumindest in Deutschland aber nur schwer umsetzbar: „Die Verlagslandschaft ist hauptsächlich mittelständisch geprägt und die Verlage kommen meist nicht auf einen gemeinsamen Nenner.“

Potential von „iPad“ und Co durch Studien belegt

In einer aktuellen Studie ermittelte der VDZ für die Verlage erfreuliche Ergebnisse zur Zeitschriftennutzung auf dem „iPad“. Mehr als zwei Drittel der 3.300 befragten „iPad“-Besitzer lesen digitale Zeitschriften auf ihrem Endgerät. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger erzielte in seiner Tablet-Studie ähnliche Resultate. Von den 3.290 Befragten sehen 55 Prozent Zeitungs-Apps als sinnvolle Ergänzung und ganze 21 Prozent der Nutzer betrachten diese als echte Alternative zur gedruckten Zeitung.

Die Nutzungs- und Zahlungsbereitschaft sei laut der VDZ-Studie durchaus vorhanden. Über 60 Prozent der App-User haben für die Nutzung bezahlt, entweder als Einzelkauf oder als Abonnement. In der Untersuchung des BDZV sind sogar 80 Prozent der „iPad“-Besitzer bereit, für Inhalte zu bezahlen. Bei den Besitzern anderer Tablet-PCs sind es nur 54 Prozent.

„Yahoo“ eifert der Konkurrenz nach

Neben „Apples“ „Newsstand“, „Googles“ „Propeller“ oder dem „PressReader“ von „NewspaperDirect“ hat nun auch „Yahoo“ vergangene Woche eine eigene Version eines virtuellen Kiosks vorgestellt. Der „Livestand“ bindet sowohl Inhalte von „Yahoo“ selbst als auch von verschiedenen Publishern in einem personalisierbaren Tablet-Magazin an. „Zum Start in der letzten Woche in den USA sind neben den ‚Yahoo‘-Produkten auch rund hundert Partner wie zum Beispiel ‚Forbes‘, ‚ABC News‘ und ‚Men’s Health‘ integriert“, erklärte Michael Stenberg, der für „Yahoo Mobile“ verantwortlich ist. Konzipiert wurde der virtuelle Kiosk für das „iPad“.

„Yahoo“ sieht seinen virtuellen Kiosk beinahe als Dienst an den Medienunternehmern: Schließlich hätten die Verlage mit dem „Livestand“ die Möglichkeit, ihre Inhalte einer breiten Masse an Nutzern anzubieten. „Darüber hinaus profitieren diese von der attraktiven Content-Darstellung, von sozialer Interaktion sowie Personalisierung und Optimierung auf das Endgerät“, beschreibt Stenberg die Vorteile für Verlage. Auch die Werbekunden hätten die Möglichkeit, ihre Marke einer klar umgrenzten Zielgruppe gegenüber kreativ und ansprechend zu inszenieren.

Mehrwert durch Personalisierung und Interaktion

Auch die Nutzer des „Livestand“ sollen von individualisierten Inhalten profitieren. Die kontinuierlich wechselnden Inhalte werden auf Basis von Interessen, der Tageszeit und des Standorts auf den Nutzer abgestimmt. „Darüber hinaus ist die intuitive ‚Touch-Interaktion‘ besonders benutzerfreundlich. Das übersichtliche Design und ein klarer Fokus auf hochwertigen Content bestimmen das Angebot“, schilderte der „Yahoo“-Mitarbeiter. Die Resonanzen auf das neue Produkt fielen positiv aus. „Das Feedback ist sehr erfreulich, zahlreiche namhafte Publisher sehen hier ein attraktives und vor allem auch zukunftsträchtiges Umfeld für ihre Inhalte. Bei ‚iTunes‘ wurde ‚Livestand‘ auch gleich die App of the week“, freut sich Stenberg.

<h3>Lorena Gasteyer</h3>

Lorena Gasteyer