Virtuelles Nachstellen

von | 9. Juli 2010

Cyberstalking ist für die Opfer eine enorme psychische und physische Belastung. Doch auch ein kompletter Verzicht auf das Internet könnte das Problem nicht vollständig lösen.

Das Internet ist ein gesetzloses Land. Raubkopierer, Viren und jede Menge Laster machen das Onlineleben zu einem gefährlichen Spießrutenlauf. Horrorgeschichten von bestohlenen Nutzern, Identitäts- und Vermögensverlust sind in verschiedener Form immer wieder Themen in den Medien. Dass es uns trotzdem täglich ins Netz verschlägt, liegt vor allem an einem: Es ist praktisch. Die Vorteile aufzuzählen wäre ein langweiliges Unterfangen. Jeder Nutzer kennt zumindest seine persönlichen Gründe und braucht keine endlose Liste. Ein Leben ohne dieses Medium ist kaum vorstellbar. Was ist aber, wenn eine akute Gefahr für das eigene Wohl davon ausgeht? Lebt es sich dann ohne Internet besser?

Eine der tatsächlichen psychischen aber auch physischen Gefahren besteht, wenn Onlinenutzer anderen Personen virtuell nachstellen. Bekannt ist dieses Phänomen als Cyberstalking. Oft beginnt es mit einem Chat, einer falsch interpretierten Nachricht oder einem verschmähten Annäherungsversuch. Der Stalker fühlt sich zu seinem Opfer hingezogen, versteht nicht, warum dies nicht auf Gegenseitigkeit beruht, und greift zu Maßnahmen, die sich oft an der Grenze des Illegalen befinden oder diese überschreiten.

Weitreichende Folgen

medienMITTWEIDA sprach mit Ines Richlick, einer der Betreiberinnen von stalking-forum, einem Internetportal mit Tipps und Hinweisen zum Selbstschutz und direktem Kontakt zu Experten. „Beim Stalking fixiert sich ein einzelner Täter aus unterschiedlichen Gründen auf ein Opfer, um es gezielt zu verfolgen und fertigzumachen. Dabei bedient er sich manchmal auch anderer Personen, die ihn in seiner Intention unterstützen“, erklärt Richlick. „Die Grenze zum Stalking ist dann überschritten, wenn eine Person eine andere gegen deren ausdrücklich erklärten Willen über einen längeren Zeitraum kontaktiert bzw. Daten oder Kommentare jeglicher Art im Internet verbreitet.“

Die Auswirkungen des virtuellen Stalkings sind auf den ersten Blick vielleicht nicht so offensichtlich wie die seines Offline-Pendants. Richlick kennt die typischen Symptome der Opfer: „An psychischen Auswirkungen treten vor allem verstärkte Unruhe, Angstsymptome, Schreckhaftigkeit und Anpassungsstörungen bis hin zu Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen auf.“ Auch physisch stehen die Verfolgten unter enormen Stress, typische Folgen wie Magen- und Darmbeschwerden, Kopfschmerzen, Verspannungen, Bluthochdruck und Herz-Rhythmusstörungen seien laut Richlick häufig zu beobachten. „Im schlimmsten Fall werden die Betroffenen in den Suizid getrieben.“

Online gefährlicher als Offline?

Eine Aussage, ob nun Online-Stalking gefährlicher sei als Offline-Stalking, ist nicht eindeutig zu treffen. Vor allem, da häufig eine Mischform vorliegt oder sich der Täter entschließt, seinem virtuellen Opfer auch im realen Leben näher zu kommen. Richlick weist darauf hin, dass eine generelle Unterscheidung von reinen Cyberstalkern und solchen die physisch präsent sind, nicht immer möglich ist: „Die Gefahr von anfänglich reinen Internetstalkern sollte nicht unterschätzt werden. Handelt es sich um ‚Spaßmacher‘, die sich an lustigen oder gehässigen Kommentaren in diversen Communitys ergötzen, dürfte dieses Tummelfeld nicht das vorrangige Eskalationspotenzial bieten. Fixiert sich jedoch ein Täter zunehmend auf sein Opfer und dringt in sein Privatleben auch über die virtuelle Welt hinaus ein, ist erhöhte Vorsicht geboten.“

Kein Problem ohne Internet

Wäre es dann nicht die einfachste Lösung, auf das Internet komplett zu verzichten? So drastisch müssen die Maßnahmen meist nicht ausfallen: Social Media-Profile sollten gelöscht werden, wenn nicht unbedingt beruflich notwendig auch die eigene Website. In extremen Fällen hilft ein Providerwechsel und eine neue E-Mail-Adresse. Um solche Attacken von Anfang an zu vermeiden, gibt es ein paar grundlegende Regeln: Die Privatsphäre-Einstellungen der sozialen Netzwerke sollten angepasst werden. Je weniger ein Außenstehender sieht, umso besser. Auch ein regelmäßiger Check der virtuellen Freunde schafft ein gewisses Maß an Sicherheit. Dass kompromittierende Fotos nicht in das World Wide Web gehören, sollte mittlerweile auch so jedem klar sein. Mit ein wenig Vorsicht lässt sich das Risiko des Cyberstalkings zwar nicht vermeiden, aber auf ein weitaus geringeres Maß reduzieren.

<h3>Tom Rosenkranz</h3>

Tom Rosenkranz