Vor einigen Jahren war die „Vogue“ noch Leitmedium in Sachen neueste Modetrends. Doch sinkende Verkaufszahlen und die zunehmende Digitalisierung zeigen: Heute beziehen Fashion Addicts ihre Ideen lieber aus dem Internet. Ist das der Trend der Zukunft?
„Je mehr über Mode geredet wird, desto besser. Aber, verzeihen Sie bitte, wir haben den Eindruck, dass viele der Neuankömmlinge in dieser Welt nicht ganz das Verständnis für Mode und nicht ganz die Erfahrung haben, die sie haben sollten.“ Diese Äußerung stammt von einer der ganz Großen im Modegeschäft: „Vogue“-Chefin Anna Wintour. Seit mehr als 25 Jahren regiert sie das Business – und das soll ihrer Meinung nach auch so bleiben.
Seit einiger Zeit sind jedoch Blogger auf dem Vormarsch – junge, modebewusste Menschen, die mit ihren Posts Modemagazinen Konkurrenz machen. Oft als Hobby neben Schule, Studium oder Beruf entwickelten sich viele Blogs zu wichtigen Orientierungshilfen in der Modewelt. Vorbei ist die Zeit, in der nur Designer und die „Vogue“ etwas zu sagen hatten. Erfahrene Modejournalisten wissen heute: Blogger setzen Trends und inspirieren ihre Leser. Das Modemagazin „Elle“ und auch die „Vogue“ widmen Fashionbloggern inzwischen sogar eigene Rubriken. So ist z. B. die Bloggerin Melissa Melita auf elle.de für regelmäßige Posts zuständig.
Looks kreieren, Texte schreiben und fotografieren – Fashionblogger zu sein bedeutet aber auch viel Aufwand. Die Berliner Studentin Dan Tran mit ihrem eigenen Modeblog „Misplaced Mirth“ lässt sich davon aber nicht abschrecken: „Je nach Motivation mal mehr, mal weniger. Generell kann ich sagen, dass ich an einem Post schon mindestens zwei Stunden sitze.“ Wie eng neue Trends und Blogs zusammenhängen, zeigt sie uns im Interview anhand eines expliziten Beispiels: „Der Pastell-Trend ist gerade sehr stark verbreitet. Vor allem der rosa pastellfarbene Mantel von Zara ist ja sehr beliebt und wird oft als der ‚Blogger-Mantel‘ deklariert.“
Das Engagement zahlt sich aus. Wer originell und extrovertiert ist, kann sich so seinen Platz in der Front Row bekannter Fashion Shows sichern. Vorreiter ist beispielsweise der Filipino Bryan Grey. Seit rund zehn Jahren bloggt er erfolgreich unter dem Pseudonym „BryanBoy“. Längst ist er gern gesehener Gast auf der New York Fashion Week. Designer Marc Jacobs hat sogar eine Tasche nach ihm benannt. Mehr VIP-Status geht kaum.
Trendsetting durch Videos und Online-Communities
Eine ähnliche Bewegung lässt sich derzeit auf YouTube feststellen. In sogenannten Mode-Vlogs stellen junge Frauen Outfits und Styles vor. Besonders beliebt sind sogenannte „Hauls“. Youtuberin Jill Butterfly erklärt: „Hier zeigt man seine Einkäufe, man erwähnt die Preise und wo man das jeweilige Teil bestellt oder geholt hat. Oft werden auch Ausschnitte gezeigt, wo man das Teil noch getragen sieht.“ Andere Kategorien sind beispielsweise „Do-It-Yourself“ und „Outfit Of The Day“ – sie sollen zum Selbermachen und Nachstylen anregen.
Inspiration beziehen die Vlogger vor allem aus sozialen Netzwerken, aber auch aus dem Alltag. Jill schwärmt: „Ich gehe oft gerne durch die Läden und schaue mir an, was gerade so an der Stange hängt und versuche es, nach meinem eigenen Geschmack zu kombinieren. Wenn ich durch die Straßen laufe, entdecke ich oft Personen mit einem auffälligen Modestil, die mich inspirieren.“
Längst hat die Begeisterung für Mode auch zur Gründung eigener sozialer Netzwerke geführt. Auf Portalen wie „stylefruits“ tauschen sich Fashion Victims über die neusten Trends aus und stellen sich Outfits zusammen, die mit ein paar Klicks bei Partnershops bestellt werden können.
Eine etwas andere Richtung schlägt die Online-Community „Kleiderkreisel“ ein: Dort verkaufen, tauschen und verschenken die User Second-Hand-Mode. Im Jahr 2009 gegründet, versteht sich die Seite als Beitrag zu „Collaborative Consumption“ – einem Konsumtrend, der auf das gemeinsame Nutzen von Gegenständen abzielt. Mittlerweile verfügt das Portal über 1,7 Millionen Mitglieder. In der Community diskutieren die User über Trends, geben Stylingtipps und lassen sich inspirieren.
Gebrauchte Kleidung als erste Wahl? Vor wenigen Jahren war das noch unvorstellbar. Gründerin Susanne Richter erklärt uns in einem Interview:
„Zum einen ist es eine Gegenbewegung zu der sich immer schneller drehenden Konsumspirale, quasi eine Art Rebellion der jungen Generation gegen die Konsum-Fokussiertheit ihrer Eltern. Zum anderen ist es eine globale Generation, die sich der weltweiten Auswirkungen ihres Konsums sehr viel mehr bewusst ist, als es noch vor einigen Jahren war.“
Kleiderkreisel verbindet also Onlinehandel mit Nachhaltigkeit, heißt so viel wie Wiederverwertung gebrauchter Kleidungsstücke.
Blogs als Werbeträger – eine Gefahr für den Content?
Dass Blogs und Vlogs großes Potential besitzen, haben inzwischen auch viele Unternehmen bemerkt. Affiliate-Marketing spielt eine immer größere Rolle: Die Firma stellt dem Blogger unentgeltlich ein Produkt zum Testen zur Verfügung. Anschließend verfasst dieser einen Post darüber bzw. stellt es in einem Video vor.
Das bedeutet Profit auf beiden Seiten: Kostenlose Werbung für das Unternehmen und ein Teil mehr für den Kleiderschrank des Bloggers. Jedoch stellt sich auch die Frage nach der Glaubwürdigkeit dieser Blogs. Denn anders als im klassischen Journalismus verschwimmen hier die Grenzen zwischen redaktionellen Inhalten und Werbung.
Eins ist jedoch klar: Das Modebusiness ist in Bewegung. Die Kommunikation über Social Media & Co. gibt dem Ganzen eine persönliche Note. Der Trend wird also nicht mehr direkt vorgegeben, er kann diskutiert, verändert und sogar interaktiv weiterentwickelt werden. Oder wie es Youtuberin Jill Butterfly treffend ausdrückt: „Das Internet ermöglicht es, ein kleines Statement zu einem großen Trend zu machen.“
Text: Ann-Kathrin Bertenrath. Bilder: Sarah Krause, Kleiderkreisel