Wahrheit vs. Geheimhaltung

von | 15. November 2011

„Der Fall Jörg Kachelmann ist komplett aus dem Ruder gelaufen“, stellt Moderator Christoph Krachten fest. Doch nicht nur einschlägige Boulevard-Medien verhielten sich falsch.

„Selbst im Magazin der Süddeutschen Zeitung durften Kachelmanns Kollegen und Geliebte private Details aus seinem Leben ausplaudern“, erinnert sich Günter Bartsch, Geschäftsführer von Netzwerk Recherche. Dabei wurde die journalistische Verantwortung erheblich verletzt: „Das waren alles nicht belegbare Behauptungen, die abgedruckt wurden.“

Persönliches Filtersystem

Doch wer ist für Berichterstattungen dieser Art verantwortlich: Ist es der Journalist, der getrieben von Auflage oder Quote, möglichst reißerische Details veröffentlichen möchte? Oder trägt auch die Öffentlichkeit, die sich für solche privaten Informationen interessiert, einen Teil der Verantwortung? Hans-Peter Maier, Leiter des Besucherdiensts des Sächsischen Landtages und ehemaliger Journalist, verlangt von den Medien Verantwortungsbewusstsein: „Der Journalist übernimmt eine Art Anwaltsrolle und entscheidet, was für die Öffentlichkeit von Interesse zu sein hat.“ Neben gewissenhaften Journalisten erwartet Bernd Carstensen, Pressesprecher des Bunds Deutscher Kriminalbeamter, zusätzlich mündige Rezipienten, die selbst entscheiden, welche Informationen wichtig sind: „Der Nutzer benötigt ein persönliches Filtersystem.“

Persönlichkeitsrechte wahren

Gerade bei der Berichterstattung zu Gerichtsprozessen werden oft Grenzen überschritten. Jedoch geht das nicht immer von Journalisten aus, wie Günter Bartsch verdeutlicht: „Viele Menschen nutzen die Medien als Instrument, um die Öffentlichkeit und möglichst auch die Richter zu beeinflussen.“ Gleichzeitig dürften durch die Verbreitung persönlicher Informationen die Persönlichkeitsrechte Dritter nicht verletzt werden – Medien, die Kachelmanns Geliebte mit pikanten Details zitiert haben, ignorierten das. „Jörg Kachelmanns Persönlichkeitsrechte wurden über Monate hinweg mit Füßen getreten“, so Christoph Krachten.

„Die Intimsphäre ist immer zu schützen“, fordert auch Bernd Carstensen. „Es gibt nur Abstufungen, wenn ein öffentliches Interesse besteht.“ Die reine Neugier der Rezipienten zähle dabei nicht: „Ein öffentliches Interesse ist nur gegeben, wenn eine Strafverfolgung stattfindet und zum Beispiel Hausdurchsuchungen nötig sind. Dann darf auch in die Privatsphäre einer Person eingegriffen werden.“

Letztlich müssen die Medien selbst auf eine ausgewogene Berichterstattung, bei der keine Persönlichkeitsrechte verletzt werden, achten. Für Hans-Peter Maier helfen dabei keine Vorschriften oder Gesetze: „Wenn ich etwas regle, dann die Ausbildung von Journalisten.“

<h3>Annegret Hintze</h3>

Annegret Hintze