Zwischen den Zeilen

Hat die Bücherwelt ein neues Kapitel aufgeschlagen?

von | 10. Mai 2019

Im April fand der Welttag des Buches statt, doch die Bedeutung des Mediums ändert sich mit der Gesellschaft.

Über eine Million Bücher werden an Kinder verschenkt, Amazon bietet kostenlose Bücher und ebooks an und zahlreiche Verlage öffnen ihre Türen. Der UNESCO-Welttag des Buches ist eine Erinnerung an die Relevanz des Buches und soll, wie auf der Website beschrieben, durch Aktionen wie „Ich schenk dir eine Geschichte” bei Schülern die Lust am Lesen wecken. In Ralph Waldo Emersons Worten: „Schon oft hat das Lesen eines Buches jemandes Zukunft beeinflusst.“

Während die Umsätze anderer Printmedien wie den Tages- und Sonntagszeitungen nach Erhebungen des BDZV gesunken sind, sehen die Zahlen im Buchmarkt stabiler aus. Dennoch geht die Zahl der Buchkäufer laut einer Studie des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels zurück und auch in der Freizeit wird das Lesen hinter andere Aktivitäten zurückgestellt. Anlässlich des Welttags des Buches stellt sich die Frage, wie zentral die Rolle des Buches in unserem modernen Alltag noch ist.

Bücher verschenken, Literatur zelebrieren

Am 23. April 1995 hat die UNESCO den Welttag des Buches ausgerufen, der seitdem jährlich mit zahlreichen Aktionen gestaltet wird und den in Deutschland der Börsenverein des Deutschen Buchhandels und die Stiftung Lesen koordinieren. Das Datum ist dabei nicht zufällig gewählt, sondern geht auf eine katalanische Tradition zurück, nach der zum Namenstag des Schutzheiligen St. Georg Rosen und Bücher verschenkt werden. Zudem ist der 23. April der Todestag von William Shakespeare und Miguel de Cervantes, dem Autor von Don Quijote und Spaniens Nationaldichter.

 

Bücher ermöglichen den Dialog zwischen unterschiedlichen Generationen und Kulturen. Das Lesen oder Hören eines Buches hilft uns, andere Menschen über kulturelle und geographische Grenzen hinweg zu verstehen. In einer Zeit zunehmender Verunsicherung und sich vertiefender Grenzziehungen ist diese Fähigkeit wichtiger denn je.“

Dr. Roland Bernecker

Generalsekretär der Deutschen UNESCO-Kommission

Mehrere Kultusministerien, die Stiftung Lesen, die Deutsche Post AG, das ZDF und der cbj-Verlag geben seit 1997 anlässlich des Welttags des Buches jeweils einen neuen Titel der Reihe „Ich schenk dir eine Geschichte“ heraus, der dann an Viert- und Fünftklässler verschenkt wird. Auch Amazon hat sich dieses Jahr am Tag des Buches beteiligt und gratis Bücher zum Download oder zur Bestellung angeboten. Neben dem Verteilen von Büchern werden außerdem zahlreiche Lesungen in lokalen Buchhandlungen verlost – dieses Jahr sind daran über 49 Autorinnen und Autoren beteiligt.

Markt bleibt stabil, doch Lesen rückt in den Hintergrund

2017 hat der deutsche Buchmarkt laut Börsenverein des Deutschen Buchhandels einen Umsatz von über 9,1 Millionen Euro erzielt. Damit sind die Zahlen zwar in den letzten Jahren leicht zurückgegangen, bleiben jedoch vergleichsweise stabil. Die häufigsten Vertriebswege sind der Sortimentsbuchhandel mit fast 50 Prozent und gerade im Bereich Fachbücher und Wissenschaft auch der Kauf direkt beim Verlag mit um die 21 Prozent. Der Internetbuchhandel unter Marktführer Amazon ist in den letzten Jahren auf fast 19 Prozent angestiegen. Neben Amazon besitzen auch zwei Drittel der stationären Buchhändler mittlerweile einen Onlineshop.

Die Studie „Buchkäufer – quo vadis“ (2018) des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels hat festgestellt, dass die Käuferreichweite, also der Anteil der Personen, die Bücher kaufen, seit 2013 von 53 Prozent auf 44 Prozent gesunken ist. Buchkäufer geben zwar im Schnitt etwas mehr Geld für Bücher aus, allerdings fehle nach Angaben der Befragten die Zeit zum Lesen oder auch die nötige Aufmerksamkeitsspanne, die durch die Informationsflut der digitalen Medien leide.  Auch entscheidend sei, dass soziale Aktivitäten häufig priorisiert werden. Dazu zählt immer mehr auch das Schauen von Serien, das gewisse Bedürfnisse befriedigt, die Bücher nicht erreichen. So dienen sie dem „Sich-berieseln-lassen“, fördern den Austausch mit anderen und lösen ein Gefühl des Dazugehörens aus, was einen stärkeren sozialen Charakter hat als das Lesen. „Der Austausch über Bücher fehlt, Menschen sind weniger involviert in Buch-Themen und fühlen sich überfordert vom großen Titelangebot“, ist die Schlussfolgerung der Studie.

Verändert habe sich demnach der Stellenwert des Lesens als Freizeitaktivität. Es sei im zwischenmenschlichen Bereich aus dem Blickfeld gerückt und nur noch eine von vielen Möglichkeiten. Dennoch haben die Befragten eine gewisse Sehnsucht danach geäußert, dem Alltag zu entfliehen und zu entschleunigen. Die Folgerungen der Studie sind, dass Bücher wieder mehr ins Bewusstsein rücken müssen. Sie sollen zum Konsumenten kommen statt andersherum, so wie bei anderen Medien auch. „Die Käuferentwicklung fordert von Buchhandlungen und Verlagen ein generelles Umdenken“, sagt Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, dem Tagesspiegel, „Wir müssen die Bedürfnisse potenzieller Leser noch mehr in den Fokus rücken.“

Wenn Buchliebhaber sich versammeln

Durch Social Media hat das Lesen in den letzten Jahren durchaus an sozialem Charakter gewonnen. Dementsprechend haben sich Communities der Buchliebhaber herausgebildet, in denen Bilder, Rezensionen und Empfehlungen miteinander geteilt werden. Unter dem Hashtag #bookstagram finden sich mittlerweile über 30 Millionen Instagram-Posts. Vor allem auf Instagram, aber auch auf YouTube oder via Blogs sind Buchliebhaber aktiv. Abgesehen von gängigen sozialen Netzen haben sich mit Goodreads oder Lovelybooks auch spezielle Plattformen gebildet, die sich nur dem Thema Bücher widmen. Hier können User Rezensionen veröffentlichen, virtuelle Bücherregale anlegen und sich mit Freunden verbinden. Goodreads hat nach eigenen Angaben mittlerweile 85 Millionen Mitglieder, die bereits 87 Millionen Rezensionen veröffentlicht haben.

Die sozialen Netzwerke haben zudem den Austausch mit den Schriftstellern selbst vereinfacht. Bekannte Autoren wie Stephen King, J. K. Rowling, John Green oder Neil Gaiman haben Millionen von Followern auf Twitter. Doch auch jenseits der virtuellen Welt versammeln sich Leser und Autoren. So sind vor allem Buchmessen beliebt, auf denen man sich sowohl mit Schriftstellern als auch anderen Buchliebhabern austauschen kann. Die Frankfurter Buchmesse ist die weltweit größte Fachmesse in diesem Bereich mit mehr Besuchern als die New Yorker BookCon oder die London Book Fair. In den letzten Jahren hat sie laut Geschäftsbericht der Messe Frankfurt rund 286.000 Besucher angelockt. Aber auch die Leipziger Buchmesse und das dazugehörige Festival „Leipzig liest“ haben 2019 diese Zahl erreicht. Bücher haben also durchaus das Potential, zu einem sozialen Erlebnis zu werden.

Text: Julia Walter, Titelbild: Susan Jahnke

<h3>Julia Walter</h3>

Julia Walter

geb. 1997 hat ihren Bachelor in Medienmanagement an der Hochschule Mittweida absolviert. Aktuell studiert sie im Master "Media and Communication Studies" und ist nach drei Semestern als Redaktionsmitglied nun als studentische Hilfskraft bei medienMITTWEIDA tätig.