Am 26. Mai 2019 sind Europawahlen: Für die meisten Studierenden ist es die erste Europawahl, an der sie teilnehmen. Egal, ob man sich mit Erasmus das Auslandsstudium finanzieren will, wie die Fridays for Future Demonstranten für einen stärkeren Klimaschutz kämpft oder sich Sorgen um die Zukunft des Internets nach Artikel 13 (jetzt Artikel 17) macht. All das sind Themen, die in der Europäischen Union entschieden werden. Es wird also Zeit zu lernen, wie die Demokratie in der EU funktioniert und wie jeder Einzelne sie beeinflussen kann.
Was wird am 26. Mai gewählt?
Gewählt wird das Europäische Parlament, eins der vier Gremien, bei den die Entscheidungsgewalt in der Europäischen Union liegt. Man hat eine Stimme, mit der man eine Partei wählt, die dann ihre Kandidaten in das EU-Parlament entsendet. Es gibt, anders als bei der Bundestagswahl, keine Fünf-Prozent-Hürde. Das führt dazu, dass auch kleine Parteien im EU-Parlament sitzen. Das Parlament besteht aus 751 Abgeordneten, von den Deutschland 96 stellt. Die Mitgliedstaaten entsenden die Abgeordneten ungefähr je nach Höhe der Bevölkerungszahl, wobei kein Land weniger als sechs oder mehr als 96 Abgeordnete haben darf.
Welche Befugnisse hat das EU-Parlament?
Das Europäische Parlament beschließt Gesetze, darf aber keine Gesetzesentwürfe unterbreiten. Diese Aufgabe fällt der Europäischen Kommission zu. Das EU-Parlament kann die Kommission auffordern, einen Gesetzesvorschlag zu unterbreiten, dem muss die Kommission dann nachkommen.
Das Parlament hat außerdem die demokratische Kontrolle über alle weiteren Organe, stellt gemeinsam mit dem Rat der Europäischen Union den Haushaltsplan der EU auf und muss dem mehrheitlich zustimmen. Das Parlament wählt auch den Präsidenten der EU-Kommission auf Vorschlag des Europäischen Rates. (Siehe Absatz: Welche anderen Institutionen gibt es)
In manchen Angelegenheiten, zum Beispiel der Steuerpolitik, ist der Einfluss des Parlamentes immer noch stark begrenzt. Hier darf es nur beraten, nicht entscheiden. Das Parlament war ursprünglich nur als beratendes Element in der Gesetzgebung vorgesehen, mittlerweile hat es sich aber in vielen Bereichen emanzipiert.
Wie arbeitet das Europäische Parlament?
Nach der Wahl bilden die Abgeordneten des EU-Parlamentes Fraktionen. Diese bestehen dann aus Abgeordneten der 28 Mitgliedstaaten, die ähnliche politische Positionen vertreten. So gehören zum Beispiel alle 34 Abgeordneten der deutschen Unionsparteien CDU/CSU zur EVP, der Fraktion der Europäischen Volksparteien. Mit 216 Sitzen ist diese Fraktion aktuell die Stärkste im Europäischen Parlament.
Konkret läuft die Arbeit dann nach zwei Stufen ab:
Als Erstes treffen sich Ausschüsse, die über einen Entwurf der Kommission beraten. Ausschüsse gibt es zu allen politischen Themen, zum Beispiel den Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, der unter anderem für die gemeinsame Sicherheits-und Verteidigungspolitik zuständig ist. In den Ausschüssen sitzen Mitglieder aller Fraktionen, welche die Gesetzesentwürfe prüfen. Die Abgeordneten können Änderungsvorschläge einbringen oder ein Gesetz nach dem Mehrheitsprinzip ablehnen.
Wenn ein Gesetz durch einen Ausschuss gekommen ist, dann wird darüber auf einer Plenartagung abgestimmt. Dabei kommen alle Abgeordneten des EU-Parlamentes zusammen und stimmen den Vorschlägen entweder zu oder lehnen sie ab.
Welche anderen Institutionen gibt es?
Die Politik wird in der Europäischen Union von vier Institutionen gelenkt. Das Europäische Parlament, der Rat der Europäischen Union, der Europäische Rat und die Europäische Kommission. Das Europäische Parlament wird, wie bereits bekannt, von den EU-Bürgern direkt gewählt.
Auf die folgenden Gremien haben die EU-Bürger durch die Wahl der nationalen Regierungen nur indirekt Einfluss.
Der Rat der Europäischen Union
Der Rat der Europäischen Union besteht aus den Fachministern der Mitgliedstaaten. Trifft sich der Rat zum Beispiel zu Fragen der Umweltpolitik, dann entsenden die Mitgliedstaaten ihre Umweltminister. Der Rat stimmt mit dem Parlament über Gesetzesentwürfe und den Haushalt der EU ab. Zuständig ist er auch für die Entwicklung der Außen-und Sicherheitspolitik auf Grundlage der Leitlinien des Europäischen Rates. Man nennt den Rat auch Ministerrat.
Der Europäische Rat
Der Europäische Rat, nicht zu verwechseln mit dem eben benannten Rat der Europäischen Union, besteht aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten. Diese treffen sich mindestens viermal pro Jahr und entwickeln gemeinsam die Leitlinien der europäischen Politik. Außerdem bestimmt er die Kandidaten für wichtige Posten in der EU, zum Beispiel für die Europäische Zentralbank oder der Europäischen Kommission. Entscheidungen müssen im EU-Rat im Konsens getroffen werden. Das heißt Abstimmungen funktionieren nicht nach dem Mehrheitsprinzip, sondern müssen einstimmig ausfallen.
Der Rat ist die mächtigste der vier Institutionen.
Die Europäische Kommission
Die Europäische Kommission ist das einzige Gremium, das Gesetze vorschlagen kann. Jedes Mitgliedsland stellt in der Kommission einen Kommissar. Die Kommission erstellt die Jahreshaushaltspläne und überwacht, wie das Geld verwendet wird. Außerdem achtet die Kommission darauf, dass sich Mitgliedstaaten und Unternehmen an Gesetze der Europäischen Union halten und kann bei Missachtung Mahnungen aussprechen, Bußgelder verhängen oder Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof einreichen.
Vorsitzender der Kommission ist der Kommissionspräsident. Er wird für fünf Jahre vom Europäischen Parlament gewählt und steht der Europäischen Kommission vor. Sein Amt ist mit dem eines Regierungschefs zu vergleichen, auch wenn die EU stark national organisiert ist und sein Einfluss somit begrenzt ist.
Der Kommissionspräsident vertritt die EU bei G7- und G20-Gipfeln und verteidigt die Arbeit der Kommission bei wichtigen Debatten im EU-Parlament. Der aktuelle Kommissionspräsident ist Jean-Claude Juncker. Nach der Wahl am 26. Mai rechnet sich der deutsche CSU-Politiker Manfred Weber hohe Chancen auf das Amt aus. Er tritt für die EVP an.
Wie kann man Einfluss auf die Politik in der Europäische Union nehmen?
Direkt beeinflussen kann man die Politik der Europäischen Union, indem man am 26. Mai wählen geht und damit die Zusammensetzung des EU-Parlaments mitbestimmt. Auf die anderen drei Institutionen kann man nur indirekt Einfluss nehmen, durch die Teilnahme an den nationalen Wahlen.
Das EU-Parlament ist auch dazu verpflichtet, sich im Petitionsausschuss mit den Beschwerden und Anfragen von EU-Bürgern zu beschäftigen. Petitionen kann man auch online einreichen.
Außerdem ist es möglich, die EU-Abgeordneten persönlich zu kontaktieren und diese über die eigenen Anliegen zu informieren.
Text: Moritz Schloms, Titelbild: Anton Baranenko
Meinung des Autors
Mehr Macht dem Parlament
Viele Themen, die den Menschen zurzeit unter den Nägeln brennen, können in Zukunft nur mit gemeinsamen europäischen Ansätzen gelöst werden. Die Perspektivlosigkeit vieler Jugendlicher in Südeuropa, der Klimaschutz und die Frage, wie wir mit Asylsuchenden umgehen, erfordern ein starkes, geeintes Europa.
Ein geeintes Europa kann nur durch das von den Europäern gewählte EU-Parlament repräsentiert werden. Dazu muss man es von dem Image befreien, dort würde nur über die Gurkenverordnung und andere banale Sachen debattiert werden, indem man es mit echter Macht ausstattet und zur wichtigsten Institution Europas erhebt.
Dafür ist es wichtig, dass das EU-Parlament alleine Gesetze vorschlagen und auf den Weg bringen kann, ohne dabei abhängig von anderen Institutionen zu sein. Es muss den EU-Kommissionspräsidenten selbst vorschlagen und wählen dürfen, damit dieser wirklich ein Repräsentant der Europäer sein kann. Außerdem sollte die Kontrolle über das Geld der Europäischen Union bei den direkt gewählten Volksvertretern liegen. Das heißt, dass der Haushaltsplan der EU vom Parlament, oder von einem vom Parlament gewählten Finanzminister, aufgestellt wird und nur vom Parlament verabschiedet werden sollte.
Das Untersuchungsrecht des Europäischen Parlamentes muss gestärkt werden, so dass Untersuchungsausschüsse in die Lage versetzt werden, Personen vorzuladen. Das ist in anderen Parlamenten dieser Welt, zum Beispiel beim US-Kongress, üblich und notwendig, damit eine wirksame Kontrolle der Exekutive möglich ist.
Die Leitlinien europäischer Politik sollten nicht durch die Staats- und Regierungschefs bestimmt werden, sondern durch das von den Menschen Europas gewählte Parlament. So wird das EU-Parlament der Ort für gelebte Demokratie. Wenn diese elementaren Befugnisse in die Hände des Parlamentes gelegt werden, dann wächst es zu einer der mächtigsten Institutionen in Europa und in der Welt.
Wir brauchen eine solch konzentrierte Macht im gewählten Herzstück Europas, das sich als Repräsentant aller Europäer und nicht der einzelnen Nationalstaaten verstehen muss. Denn auch die Probleme, die gelöst werden müssen, sind nicht mehr national sondern global.