Sang- und klanglos vollzieht sich in Deutschland wieder einmal ein Stellenabbau. Die Ankündigung der Schließung des Pharmaunternehmens AWD.pharma in Radebeul Ende September stieß bei der Belegschaft auf Widerstand. Die Proteste verliefen jedoch bisher weitgehend unbeobachtet von der gesellschaftlichen und medialen Wahrnehmung. Vielleicht liegt es daran, dass zum Jahresende 2010 vorerst nur die Bereiche Marketing und Außendienst wegfallen und damit der überwiegende Teil der mehr als 300 Mitarbeiter noch bis Ende 2011 weiterbeschäftigt wird.
AWD.pharma ist ein sächsisches Pharmaunternehmen, das seit 20 Jahren in Radebeul ansässig ist und als der profitabelste Standort innerhalb der TEVA Deutschland Gruppe gilt. Im Juli dieses Jahres übernahm der weltweit größte Generika-Hersteller, die israelische TEVA Pharmaceutical Industries Ltd., den Ulmer Pharmakonzern ratiopharm GmbH. Im Zuge dieser Übernahme soll die TEVA-Zentrale nun von Radebeul nach Ulm verlagert werden. Deutschlandweit plant TEVA laut Markus Braun, Leiter Unternehmenskommunikation ratiopharm GmbH, im Zusammenhang mit der Schließung der Standorte Radebeul, Mörfelden und Mannheim sogar den Abbau von bis zu 600 Stellen.
Schließung trotz wirtschaftlich guter Lage
Allein dieser Umzug des Konzerns scheint der Grund für die Schließung des Werkes zu sein. Wirtschaftlich geht es der TEVA gut. 2009 erreichte das Unternehmen nach eigenen Angaben einen Umsatz von 13,9 Milliarden US-Dollar, 2010 sollen es schon 31 Milliarden US-Dollar sein. In über 60 Ländern ist TEVA tätig, mehr als 1200 verschiedene Arzneimittel gehören zum Sortiment. Allein in Deutschland ist der Konzern durch vier Unternehmen vertreten. Erst im letzten Jahr wurde der Hauptsitz nach Radebeul verlagert, unter anderem mit der Begründung, Dresden biete eine moderne Infrastruktur und sei ein geeigneter Ort für Tagungen und Kongresse. Auf der Website hebt das Unternehmen seine familien- und karrierefördernde Personalstrategie hervor. Motivierte, gut qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien das wichtigste Kapital von TEVA Deutschland und ein unersetzlicher Erfolgsfaktor, heißt es dort. Das gilt offensichtlich nicht mehr für Dresden.
Belegschaft und Betriebsrat wollen die Entscheidung nicht hinnehmen. Mit der Initiative „135 Jahre Arzneimittel aus Dresden. Wir bleiben hier!“ kämpfen sie mit einer Petition für den Erhalt des Standortes Radebeul. Ziel ist es, mit fast 5000 Unterschriften die Landesregierung um Hilfe zu bitten. Diese wurde zwar mehrfach zugesagt, doch konkrete Inhalte der Gespräche wurden bisher nicht bekannt. „Das Spektrum unserer Unterstützung reicht von Gesprächen, um eine konstruktive Lösungssuche zu bewirken, über das Angebot projektbezogener Unterstützung im Rahmen des Förderinstrumentariums bis hin zur Mitwirkung bei einer möglichen Investorensuche.“, so Isabel Siebert, Pressesprecherin des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, gegenüber medienMITTWEIDA.
Verkauf als Win-Win-Lösung
Gespräche zwischen dem Arbeitgeber TEVA und dem Betriebsrat des AWD sollen wenigstens Konzepte hervorbringen, die eine Beschäftigungssicherung der Mitarbeiter außerhalb der TEVA gewährleisten. Eine Weiterbeschäftigung im Konzern werde von der Leitung nicht in Betracht gezogen. Der Betriebsrat favorisiert momentan einen Verkauf des AWD an Dritte. So sei durchaus eine Win-Win-Situation für alle Seiten vorstellbar, wobei TEVA durch den Verkaufserlös sogar seine Schließungskosten minimieren könnte. „Der Arbeitgeber ist momentan nur zur Abwicklung bereit und sieht es nicht als seine (wenigstens moralische) Aufgabe an, sich um die Zukunft seiner Mitarbeiter für die Zeit nach TEVA Gedanken zu machen. Die soziale Verantwortung wird auf die Verhandlung zum Sozialplan verkürzt.“, sagte Volker Flemming, Stellvertreter der Betriebsratsvorsitzenden, gegenüber medienMITTWEIDA.
In der Vergangenheit mussten die Mitarbeiter bereits einige Arbeitgeberwechsel erleben. Bisher konnte immer erreicht werden, dass der Standort erhalten bleibt. „Auch ist AWD im Dresdner Raum ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, dessen Wegfall auch für viele regionale Kleinbetriebe wie Druckereien oder Agenturen harte Folgen haben könnte.“, so Volker Flemming.