„Jeder Mensch besteht aus drei Teilen, dem Menschen, einer guten und einer bösen Seite.“ Dieser kurze Satz beschreibt die Ausgangssituation des diesjährigen Theaterstücks „Workahole“, welches am gestrigen Montag das letzte Mal aufgeführt wurde. medienMITTWEIDA-Redakteur Fabian Opitz war dabei und fasst das Geschehen für euch zusammen.
Insgesamt wurde „Workahole“ zwischen dem 10. Dezember und dem 14. Dezember dreimal aufgeführt. Die Theaterbühne, das Herbert E. Graus-Studio im Zentrum für Medien und soziale Arbeit, war dabei an allen Vorführungstagen komplett ausverkauft. Die Nachfrage nach ein bisschen Kultur ist also doch recht groß in Mittweida. Die Zuschauer bekamen eine Aufführung über die Facetten der Menschen, der guten und der bösen Seite, zu sehen. Das diesjährige aufgeführte Stück schrieben die Studenten komplett selbst (dabei entstand ein 45-seitiges Drehbuch!). Der Regisseur Maximillian Fürstenberg und seine Schauspieler erarbeiteten ein modernes Stück nach dem Instanzenmodell von Sigmund Freud. Die Erarbeitung des Stückes dauerte über ein Jahr, wobei sich die Theatergruppe zu Beginn zwei Mal in der Woche traf und kurz vor der Premiere fast täglich probte. Die 20 Darsteller und die knapp 20 Unterstüzer hinter der Bühne haben enormen Aufwand auf sich genommen, um uns in einer eineinhalbstündigen Veranstaltung ihre unglaublich aufwendige und beeindruckende Arbeit vorzuführen.
Warum stehen da nackte Menschen?
Zu Beginn der Aufführung betraten die Zuschauer ein Studio mit halbnackten Menschen, wobei sechs von ihnen eine Maske vor dem Gesicht trugen. Zum Glück lag da kein Stroh herum. Aber warum waren sie nur in Unterwäsche zu sehen? Dies klärte sich schnell auf: Die sechs Menschen, denen eine gute und eine böse Seite beiwohnte, kleiden sich entsprechend ihrem Tagesablauf an – erst aufstehen, dann anziehen und ab zur Arbeit. Tag ein, Tag aus das Gleiche, nur die Arbeit im Kopf und die gesichtslosen Köpfe vor den Smartphones. Die beiden Engel, Adriana (Vanessa Kießling) und Gabriel (Florian Müller), beobachten die Menschen und wollen ihnen ein Gesicht geben. Aus dieser Idee entsteht schnell ein Wettkampf, wer denn eine bessere Persönlichkeit bei den Menschen hervorbringen kann. Dabei handelt Adriana motiviert und will den Menschen eine gute Seite geben, die moralisch agiert. Die Darsteller der guten Seite waren charakteristisch in weiß gekleidet, wie auch Adriana. Gabriel, der andere Engel, übrigens mit Adriana liiert (Gegensätze ziehen sich an), will das Gesicht der Menschen mit Egoismus und Lust prägen, er ist, wie die anderen Vertreter der bösen Seite, komplett in Schwarz gekleidet. Ein Dialog, der sehr an den Prolog im Himmel, bei „Faust“, zwischen Gott und Mephisto erinnert. Die Engel verkörpern sehr geschickt ihre jeweiligen Eigenschaften, sodass der Zuschauer schnell erkennt, wer wie handeln wird.
Der Wettkampf beginnt
Die sechs Menschen, allesamt Manager, fallen in Ohnmacht, werden von ihrer guten und schlechten Seite wie Marionetten an die Engel gebunden und wachen in einer dunklen Höhle auf. Der klaustrophobische Alkoholiker Matthias (Moritz Michael Helas) ist panisch und verzweifelt, Samantha (Caroline Heinrich), eine Businessfrau Ende 20, beklagt Kopfschmerzen und der aggressive Werner (Axel Dietze) schreit wütend umher. Zusammen können sich die sechs Menschen beruhigen, Adriana nimmt sie an die Hand, die bösen Seiten der Menschen werden ausgeschlossen. Jonas, die gute Seite von Matthias, hindert ihn, seine Ängste im Alkohol zu ertrinken. Der extrem in der Öffentlichkeit unter Druck stehende Carl (Florian Lagoda) hilft, dank der guten Seite, Samantha mit einer Kopfschmerztablette. Die schüchterne Cornelia (Johanna Roch) unterstützt derweil der exzentrischen Alexandra (Victoria Gleichauf) bei der Suche nach Handyempfang, um aus der Höhle zu gelangen. Die Menschen unterstützen sich gegenseitig, teilen das Essen, was Cornelia in ihrem Koffer hat, gerecht und fair untereinander auf. Es herrscht trotz einiger ruppiger Charaktereigenschaften größtenteils Harmonie. Allerdings ist die gute Seite von Samantha, Hysteria, ein aus meiner Sicht fragwürdiger Charakter, denn außer lautes Herumschreien ist es eine Figur, die im ganzen Theaterstück nicht einen positiven Rat weitergeben konnte. Sie sticht als ineffektive Rolle hervor. Nach langer Suche nach einem Ausgang legen sich die sechs Menschen und ihre guten Seiten schlafen und erwachen recht gut gelaunt am nächsten Morgen.
Das Erwachen der dunklen Seite
Adriana wiegt sich auf der Siegerseite, doch Gabriel übernimmt das Zepter und dreht die Zeit zurück. Wieder erwachen die sechs Menschen in der Höhle, doch dieses Mal mit ihren bösen Seiten neben ihnen. Der aggressive Werner, ein übergewichtiger und verlassener Familienvater, stürmt auf den schreienden Matthias und will ihn verprügeln, wird aber noch daran gehindert. Die Menschen sind nun egoistisch und auf ihren eigenen Vorteil bedacht, wie Carl, der Samantha nur eine Kopfschmerztablette gibt, um eine gewisse „Gegenleistung“ zu bekommen. Werner versucht sich allein durchzuschlagen und Alexandra schnappt sich Cornelia, die ihr doch helfen solle. Die bösen Seiten der Menschen nehmen den Sechs ihr Selbstwertgefühl, beleidigen sie sogar. Die Darsteller der bösen Seite spielten extrem überzeugend und begeisterten das Publikum mit ihrer verückten Art. Mania, der böse Teil von Matthias, nimmt ihm die Luft und Sandra, der schlechte Teil von Werner, beleidigt ihn als fett. Als sich Alexandra bei einem Sturz am Knöchel verletzt, erhält sie keine Hilfe, sondern nur hämische Zurufe. Einzig Cornelia scheint sich nicht von ihrer bösen Seite, dem wütenden Mortimer, beeinflussen zu lassen. Sie gibt ihr Essen wieder der Gruppe, die sich darum reißt, wer am meisten bekommt. Danach legen sich alle schlafen und Carl wird von der schlechten Jack geweckt. Sie haben noch etwas zu Essen und wollen dies heimlich vor den anderen verspeisen. Dabei erwischt ihn Werner, der Carl fast totprügelt.
So geht es nicht weiter
Adriana greift ein und stoppt das aggressive Treiben der Menschen untereinander. Der Engel Gabriel ist damit nicht einverstanden und beide streiten sich. Sie merken schnell, dass ihr Vorhaben, den Menschen ein Gesicht zu geben, aufgrund ihres Wettkampfgedankens gescheitert ist. Beide beginnen zusammenzuarbeiten. Wieder wird die Zeit zurück gedreht, wieder erwachen die Menschen. Samantha hat wieder Kopfschmerzen, Matthias hat wieder Angst und Werner und Alexandra sind wieder extrem wütend. Allerdings werden die Menschen jetzt von ihrer guten und bösen Seite beeinflusst und beraten. Matthias bekämpft unter dem Rat der bösen Seite seine Ängste mit Alkohol, was Werner schnell aufstößt. Er will ihn verprügeln, wird aber von seiner guten Seite zurückgehalten. Der betrunkene Matthias versucht mit seiner heiteren Art die Stimmung der Gruppe zu verbessern und schlägt ein Spiel vor: Stadt.Land.Fluss. Auch wenn nicht alle begeistert sind, spielen sie mit. Zusammen mit ihren beiden Seiten beraten sich die Menschen während des Spiels. Gut, Böse und Mensch scheinen immer besser zusammen zu harmonieren, ebenso wie die Menschen untereinander. Doch irgendwann ist Werner genervt von dem betrunkenen Matthias und legt sich schlafen. Die anderen fünf Menschen folgen Werner und begeben sich ebenfalls zur Ruhe. Man erkennt, dass sich das Geschehen dem Ende zu neigt, hat allerdings noch keinerlei Ahnung, wie sich die Menschen verändern werden. Eine gelungene Inszenierung an dieser Stelle.
Die Selbstreflektion
In der Nacht erwachen die Menschen nach und nach und reflektieren selbst über ihre Probleme. Matthias erkennt seine Klaustrophobie und seine Alkoholsucht an, Werner sieht seine Aggressivität ein und erläutert seine Sehnsucht nach seinem Kind. Samantha erzählt in diesem Zusammenhang von ihrem Kinderwunsch, hat aber nur Augen für die Arbeit und keinen Mann an ihrer Seite, die Karriere steht im Mittelpunkt. Carl steht im Job anscheinend immer in der Öffentlichkeit und unter enormen Druck. Die Menschen haben ihr Leben resümiert und bemerken, dass sie nur Zeit für Arbeit haben. Daraufhin öffnen die Engel die Höhle und hoffen, den Menschen ein Gesicht gegeben zu haben. Die Darsteller sprechen indirekt das Publikum an, sie zeigen, wie man sein Leben verbauen kann und spiegeln dies selbst wieder.
Zurück im Leben
Die Menschen befinden sich wieder in ihrer Welt und gehen ihrem Alltag nach: Aufstehen, anziehen und ab zur Arbeit. Sie reden zum Publikum und kritisieren ihre Arbeitswelt, den Zeitdruck, den rasanten technischen Fortschritt und viele andere schlechte Eigenschaften, die auf uns einwirken. Aber die Menschen scheinen sich nicht geändert zu haben, Adriana und Gabriel sind verzweifelt und traurig über ihren vermeintlichen Misserfolg.
Doch in der letzten Szene zeigen die sechs Menschen ihre Erfolge: Matthias ist zehn Monate trocken, Cornelia hat ihr Selbstvertrauen gestärkt, Werner verbringt wieder mehr Zeit mit seinem Sohn, Alexandra sieht sich die Welt an und Samantha hat ihren Kinderwunsch zusammen mit Carl erfüllen können.
„Jeder Mensch besteht aus drei Teilen, dem Menschen, einer guten und einer bösen Seite.“ Nach dieser Aufführung kann man resümieren, dass wir unsere beiden Seiten brauchen, um ein harmonisches Leben führen und den Alltagsstress auch einmal außen vor lassen zu können. Ein wirklich tolles Stück, das uns eine Lektion fürs Leben gibt. Die Aufführung von „Workahole“ war rundum gelungen, man konnte fantastische Schauspieler bestaunen, die ihre Rolle gelebt haben – und noch etwas für das Leben mitnehmen. Meiner Meinung nach sollte sich jeder ärgern, der dieses Spektakel nicht live sehen konnte.
Text: Fabian Opitz. Bilder: Markus Walter. Bearbeitung: Markus Walter.