Inmitten arabischer Frühlinge und türkischer Aufstände hat uns inzwischen eine ganz andere Revolution erreicht. Sie hat rein gar nichts Politisches an sich und bricht vielleicht gerade deshalb fast unbemerkt über uns herein: Gemeint ist die kommunikative Revolution. Unser Verständnis und Erleben von Kommunikation hat sich verändert, besonders das Internet gibt immer stärker den Ton an und eröffnet völlig neue Möglichkeiten – insbesondere für Unternehmen.
Unsere Art der Kommunikation ändert sich heute schneller denn je. Dabei nimmt sie seit Langem eine herausragende Rolle ein – sie schafft eine Vielzahl technischer Möglichkeiten und ist somit Grundstein für eine Reihe neuer Innovationen. Geschäftsmodelle, die vor ein paar Jahren noch gänzlich utopisch schienen, sind inzwischen fest in unserem Alltag integriert. Dank Weblogs, „Podcasts“ oder „Peer-to-Peer-Netzwerken“ ändert sich aber nicht nur die virtuelle Welt, inzwischen sind auch Veränderungen in unserem analogen Leben erkennbar. Der Wandel, der auch unseren Konsumstil beeinflusst, scheint nicht mehr aufzuhalten zu sein. Strategie-Managerin Jana Wichmann geht noch einen Schritt weiter und behauptet: „Das Internet ist die Technologie, die unser soziales Verhalten in den letzten Jahren am meisten geprägt hat“.
Im Wandel durch das Internet…
Das Internet ist inzwischen das Nachschlagewerk für uns Nutzer, um sich Hilfe bei Kaufentscheidungen zu holen. „Es beeinflusst die Konsum-Erfahrungen der Menschen“, bestätigt Prof. Dr. Matthias Michael, der Unternehmen zu strategischer Kommunikation berät. War das klassische Nutzungsverhalten von Medien durch passive Konsumption gekennzeichnet, so unterscheidet sich die Mediennutzung des Internets in puncto Interaktion. In Zukunft wird der Mediennutzer in die Lage versetzt, Teil des Mediengeschehens zu werden – künftig hat er selbst die Macht, Inhalte zu steuern oder gar zu produzieren.
Diese veränderten Kommunikationsverhältnisse stellen neue und bislang unbekannte Anforderungen an Marketing-Experten. Die Existenz neuer Informations- und Kommunikationstools muss berücksichtigt werden. Hier sind speziell die Anbieter gefragt, die erkennen müssen, dass die zeitliche und örtliche Erreichbarkeit ihrer Kunden stetig zunimmt. Dem Nutzer hingegen offenbaren sich immer mehr Möglichkeiten zur Beeinflussung, Kontrolle und Mitwirkung. Prof. Dr. Matthias Michael sieht noch ganz andere Chancen: „So könnten auch die großen Industriemarken und sogar die Werte ganzer Industrie-Gesellschaften künftig mittels Internet-Kampagnen verändert werden“.
Unternehmen müssen umdenken!
Der Aufbau tiefgründiger Kundenkenntnisse wird somit künftig ein wichtiger Faktor sein, Kundenkontakte müssen individueller werden. „Für die Zukunft sucht die Medienbranche noch nach Orientierung“, weiß auch Alexander von Streit, Online-Experte und ehemaliger Chefredakteur der Internet-Fachzeitschrift Wired. Marketing ist in der neuen Kommunikationswelt daher nicht länger ein starrer repräsentativer Ausschnitt der Öffentlichkeit – Nähe, Vertrautheit und Zielgenauigkeit sind die neuen Schlüsselwörter. Klar ist also, dass sich das Marketing wandeln muss. Das Internet ist keine Maschine mehr für Geldverbrennung, ganz im Gegenteil: Es beeinflusst die Verkaufs- und Kommunikationspolitik zunehmend. Hierzu gibt es bereits eine Reihe neuer Marketingansätze:
Das „Search Engine Marketing“ setzt auf Keyword statt Claims.
Die typische Bannerwerbung beim Öffnen des E-Mail-Postfachs oder beim Surfen in Foren wird zunehmend verdrängt – das Suchmaschinen-Marketing wird hier die Zukunft sein. Wer bei Google und Co. nach Infos über einen Spiele-PC sucht, wird diesen dann auch direkt angeboten bekommen. Beim „Cyber-Marketing“ wird sich gänzlich auf virtuelle Produkte und Dienstleistungen konzentriert. Gemeint sind beispielsweise Video- und Online-Spiele, für die eine Vielzahl von Nutzern ihre Freizeit opfern und bereit sind nicht nur für virtuelle Charaktere, Waffen oder Grundstücke reales Geld auszugeben.
Durch „In-Game-Advertising“ ist hier zudem ein völlig neues Werbemedium entstanden.
Auf Unternehmen als Vernetzungs-Dienstleister setzt das „Ermöglichungs-Marketing“. Als Beispiel kann die Enzyklopädie Wikipedia genannt werden. Sie verdeutlicht, dass von Nutzern generierte Inhalte eine ernste Konkurrenz für kommerzielle Angebote sein können.
Beim „Geo-Marketing“ findet eine „Erdung“ der medialen Welt statt.
Nachrichten zu Regionen oder Stadtteilen sind inzwischen genau so an der Tagesordnung wie Empfehlungsplattformen. Gemeint ist, wenn etwa Gäste über ihre Restaurant- und Kneipenbesuche bloggen. Agenturen beschäftigen sich bereits mit der Analyse dieser Art von Content, welcher auf den Verbraucher zugeschnitten ist. Rückschlüsse auf das Kundenverhalten sind hierbei das Ziel und Meinungen über Marken, Produkte und Dienstleistungen, verbreitet durch digitale Mundpropaganda, sollen frühzeitig erkannt werden.
Diese Beispiele machen deutlich, dass es nicht nur kurzfristiger Lösungsansätze bedarf. Aktuelle Trends machen sich nicht lediglich innerhalb der Medien bemerkbar, sondern betreffen auch unsere Konsumlandschaft. Schon im Cluetrain-Manifest von 1999 hieß es: „Märkte sind Gespräche“.
Text und Grafik: Thomas Kraftschenko.