Der Tatort soll bald auch auf YouTube zu sehen sein. Ist das die Antwort auf Online-Streamingdienste oder der Schutz vor illegalen Uploads im Internet?
Der Chef des weltweit expandierenden Online-Videodienstes Netflix, Hastings, sagte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ im Mai, er glaube nicht dass die Deutschen in zehn Jahren noch Sonntagabend um 20.15 Uhr vor dem Fernseher sitzend den „Tatort“ schauen würden. Gegen diese düstere Prognose versucht sich die ARD jetzt schon zu wappnen: Der Tatort soll nämlich ab Herbst auch einen eigenen YouTube-Kanal erhalten.
Andreas Rindler, Erstes Deutsches Fernsehen (ARD), Programmdirektion:
„Vor allem junge Menschen sehen immer weniger fern – und haben so auch die Mediatheken nicht im Blick. Sie bewegen sich mehr in sozialen Medien und auf Videoplattformen. Wir nutzen also (schon jetzt zum Beispiel mit dem ARD Channel) YouTube, um mehr Menschen zu erreichen – und so auch günstig unsere Inhalte zu verbreiten und gerade via YouTube auf vielen Plattformen und Endgeräten verfügbar zu machen. Zudem gehört der Tatort zu den erfolgreichsten Formaten in der ARD.“
Auch jetzt finden sich schon sehr viele Tatort-Folgen auf YouTube, die von Usern hochgeladen wurden. Jugendschutz und Verweildauer werden dabei jedoch nicht beachtet. Ziel der ARD ist es mit dem eigenen YouTube-Kanal ein verlässliches und von sich aus gesteuertes Angebot an den Start zu bringen.
Andreas Rindler, Erstes Deutsches Fernsehen (ARD), Programmdirektion: „Wenn es kein eigenes/offizielles Angebot auf YouTube gibt – und auch keine Verwertung, würde das nur den Unmut der Nutzer nach sich ziehen. Doch mit einem eigenen Angebot werden die illegalen Uploads dann gesperrt werden.“
Die Serie wird nur sieben Tage nach der Ausstrahlung im Fernsehen, ebenso wie in der hauseigenen Mediathek, aus Jugendschutzgründen nur zwischen 20 Uhr Abends und 6 Uhr morgens auf YouTube abrufbar sein. Vorteile gegenüber der Mediathek hat der YouTube-Kanal somit nicht wirklich, der einzige Unterschied: die Folgen sind auch aus dem Ausland abrufbar.
Youtube statt Netflix
Für die öffentlich-rechtlichen wird es durch große Angebote im Web immer schwieriger gegen die Online-Streaming-Dienste anzukommen. Trotzdem ist die ARD für Netflix noch immer der größte Konkurrent, denn so lange Millionenpublikum, sich nur mit Informationen berieseln statt einen Film in der Mediathek auszuwählen und unterhalten zu lassen will, funktioniert das TV-Programm auch weiterhin. Doch je jünger das Publikum – umso internetaffiner ist es und umso unabhängiger will es sein. Serien und Filme schauen wann es die Jugend will, das bietet Netflix, Maxdome, etc für einen kleinen Aufpreis im Monat.
Trotzdem hat die ARD indirekt noch immer den Vorteil, alle Bundesbürger irgendwie zu ihren zahlenden „Abonnenten“ zählen zu können. Doch wie lange können es die Öffentlich-Rechtlichen noch rechtfertigen, mehrere Milliarden Euro pro Jahr zu erhalten, wenn die Jugend sich nicht mehr für ihre Sendungen interessiert?
Die ARD will neben dem Tatort auch Comedy- und Satiresendungen auf YouTube einbinden und ihr Onlineprogramm so erweitern. Ganz abgeneigt ist der Öffentlich-rechtliche den Streamingdiensten also nicht:
Andreas Rindler, Erstes Deutsches Fernsehen (ARD), Programmdirektion:„Nach Ablauf der gesetzlichen Verweildauer in den Mediatheken ist theoretisch auch ein Angebot auf Videoplattformen wie Netflix oder Amazon Prime etc. möglich – dies wäre aber Sache der Verwertung. Dazu kann ich keine Angaben machen. ich weiß nur, dass es Angebote wie zum Beispiel Filme der Reihe „FilmMittwoch im Ersten“ auf Amazon Prime (und Netflix?) bereits gibt. Das steuern die Verwertungstöchter wie Studio Hamburg oder die WDR Mediagroup.“
Schon seit Jahren versuchen die öffentlich-rechtlichen Sender, Zuschauer nicht an die Konkurrenz im Web zu verlieren. Mit dem Projekt „Germany’s Gold“ versuchte die ARD und ZDF erstmals eine kommerzielle Videoplattform aufzubauen. Doch das Bundeskartellamt ließ das Vorhaben scheitern: denn ARD und ZDF sind Konkurrenten, was eine Gefahr der Wettbewerbsverzerrung hervorrufen könnte.
Karteallamtspräsident Andreas Mundt erklärt in einer Pressemitteilung im Frühjahr:
„ARD und ZDF treten als Unternehmer und Wettbewerber auf dem Markt für Video-On-Demand auf und müssen ihre Produkte deshalb auch wie andere Unternehmen unabhängig voneinander vermarkten. Nach den bisherigen Vorstellungen der Sendeanstalten würde die gemeinsame Online-Plattform es aber mit sich bringen, dass insbesondere die Preise und die Auswahl der Videos miteinander koordiniert würden.“
Mehr Informationen dazu gibt es zum Beispiel hier.
Ob eine eigene Mediathek oder YouTube gegenüber Online-Streamingdiensten mithalten können, ist fraglich. Wie der eigene YouTube-Kanal bei den Zuschauern ankommt, wird sich im Herbst zeigen. Denn nicht nur die zeitliche Unabhängigkeit reizt das Publikum, auf Streamingdienste wie Netflix umzusteigen, sondern auch deren aktuellere Filmauswahl.
Text: Laura Krämer. Grafik: Laura Krämer. Titelbild: Ⓒ PictureWendy unter CC BY-NC 2.0. Bearbeitung: Christine Wolf.