Kommentar: Viel geredet, nichts gesagt

von | 13. April 2012

Die Retro-Show "Roche und Böhmermann" ist auf dem schmalen Grad zwischen Talk-Revolution und inhaltslos-krampfhaftem Gerede zur Anti-Talkshow abgerutscht, meint Julia Zimmermann.

Seit Anfang März laden Erfolgsautorin Charlotte Roche und Jan Böhmermann, der Teilzeit-Side-Kick von Harald Schmidt, wöchentlich fünf Gäste zu Whisky und Nostalgie an den runden Tisch der „ZDFkultur“-Sendung „Roche & Böhmermann“. Der Late-Night-Talk zeichnet sich nur durch Kettengerauche und beabsichtigte Fehltritte und Tabubrüche des Moderatoren-Duos aus. Jeglicher Inhalt geht zu Lasten von Klassenkasper Böhmermann und der kleinlauten Roche.

Kein Thema, fünf Gäste

Das Konzept der Sendung soll Offenheit vorspielen. Damit die Gäste gegenüber den zu redseligen Moderatoren aber überhaupt zu Wort kommen, müssen sie sich Selbstdarsteller Böhmermann regelrecht aufdrängen. Aber immerhin wurden sie im einminütigen Einspieler als anwesend proklamiert. Der Hauch von Anarchie verpufft jedoch, wenn Gäste wie die hauptberufliche Politaktivistin Jutta Sundermann und Dschungelcamp-Star Kim Gloss kein bisschen aneinander geraten. Das Konfliktpotential wird verschenkt.

Längere Redebeiträge fallen kalkulierten Benimmfehlern und beabsichtigten Fehltritten zum Opfer. Dabei wollte die Talkshow authentisch sein. Die Gastgeber wollten bei ihrer Ego-Show unkonventionell und neoliberal wirken; die Massenprovokationen Jan Böhmermanns bringen die Gäste aber mehr zum Schweigen als zum Reden. Damit entsteht eher der kurz gedachte Wortwitz als gut durchdachter Inhalt. Die provokante Effekthascherei der Moderatoren unterscheidet das Format aber kaum von den – zum Großteil abgesetzten – Krawall-Talkshows der Privaten. Gerade von einem öffentlich-rechtlichen Spartensender dürfen die Zuschauer mehr erwarten.

Effekte machen Inhalt nicht erträglicher

Der Anti-Talk hat aber noch weitere Mittel gefunden, die Show auf ein seichtes Niveau zu bringen: Von den inhaltlichen Schwächen versucht die Show mit einer Reihe von Spielereien abzulenken. So war der Selbstzensur-Knopf in der ersten Sendung zumindest noch für wenige sehenswerte TV-Momente gut. Seit dem Piepton in der fünften Sendung noch Schnee-, Blitz- und Konfetti-Effekte hinzugefügt wurden, trauen sich die Gäste zum Glück des mündigen Zuschauers und zum Pech der Talk-Macher endgültig nicht mehr an den Button.

Verläuft ein Gespräch entgegen den Erwartungen mal konfliktreich, können Roche und Böhmermann mittels Rückspuleffekt noch einmal neu ansetzen. So auch beim bislang nennenswertesten Höhepunkt aller sechs ausgestrahlten Folgen, als Britt Hagedorns Talkgäste vom Moderator als „debile, zahnlose Asoziale“ beschimpft wurden.  Nachdem die Talkerin sich und ihre Formate gegenüber Böhmermann überraschend gut verteidigen konnte, blieb ihm argumentativ nur das Zurückspulen. So manipulierte das Format schon in der ersten Sendung kurzerhand den Gesprächsablauf und damit die eigene Glaubwürdigkeit. Abgesehen davon, dass Böhmermann mit einer besseren Vorbereitung nicht in diese hilflose Rolle gedrängt worden wäre, scheinen die Macher auch noch eine falsche Konsequenz gezogen zu haben: Ab Folge zwei finden derart kontroverse Diskussionen leider kaum noch statt.

Aussehen allein reicht nicht

Das Fernsehen der 70-er wurde zwar optisch gut adaptiert und die 60 Minuten Talk sind leicht verdaut, nur leider fehlt es der Show eben an Aussagekraft und Bildungsgehalt. So ist „Roche & Böhmermann“ die perfekte Talkshow für alle, die keine Talkshows mögen.

<h3>Julia Zimmermann</h3>

Julia Zimmermann