Zielgruppe: Jung und kinderlos

von | 11. März 2010

Die beliebte "werberelevante" Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen verliert an Bedeutung. Eine neue Studie schlägt eine Einteilung nach Lebensphasen anstatt nach Alter vor.

Was hat ein alleinstehender 20-jähriger Student, der gerade in seine erste eigene Wohnung gezogen ist und sein Studium mit Mini-Job und BAföG gerade so finanzieren kann, mit einer verheirateten Büroangestellten Mitte vierzig, die ein geregeltes Einkommen und zwei Kinder hat, gemeinsam? Wenn es um die Mediennutzung geht, werden beide Personen ungeachtet ihrer Lebensumstände, Einkommensverhältnisse oder Gewohnheiten in die sogenannte werberelevante Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen zusammengefasst.

Diese ursprünglich mehr als Marketingtrick verwendete denn wissenschaftlich begründete Zielgruppeneinteilung wurde von der amerikanischen Senderkette ABC in den 1950er Jahren eingeführt und von RTL in Deutschland in den 1980er Jahren übernommen. Sie setzte sich durch und wird bis heute als Maßstab für den Erfolg von Fernsehsendungen und den davon abhängigen Verkauf von Werbung verwendet. Relevant ist sie jedoch längst nicht mehr. Zum einen ist die Einteilung völlig willkürlich, gerade 49 ist eine beliebige und aussagelose Grenze. Zum anderen verändert sich besonders in den westlichen Ländern durch die stetig sinkende Geburtenrate und die steigende Lebensdauer die demografische Struktur zusehends. Das ältere Publikum macht einen großen und wichtigen Anteil der Zuschauer aus. Von der momentanen Zielgruppeneinteilung unbeachtet bleibt außerdem, dass gerade bei jungen Menschen Lebensumstände und damit Interessen viel häufiger wechseln.

Lebensphasen statt Alter

Um in Zukunft die Mediennutzung sinnvoll messen zu können, werden neue Modelle benötigt. Ein Vorschlag kommt aus Amerika und wurde gemeinsam vom Entertainment Technology Center der University of Southern California, dem TV-Sender Hallmark Channel und der Marketingfirma E-Poll Market Research entwickelt. In ihrer Ende Februar veröffentlichen Studie „Life Stage: Its Impact on the Future of Traditional and Emerging Media“ schlagen sie vor, dass die bisherige altersorientierte Einordnung von einer Einteilung in Lebensphasen abgelöst werden soll. Dabei würde die Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen nicht gleich komplett abgeschafft, sondern erweitert und verfeinert werden.

Die Untersuchungen ergaben, dass – unabhängig vom Alter – Menschen ähnlicher Lebensumstände und Gewohnheiten oft ein vergleichbares Mediennutzungsverhalten zeigen, während bei Vertretern aus verschiedenen Lebensphasen auch das Nutzungsverhalten kontrastiert. Allein der Bereich der 14- bis 49-Jährigen ist dabei in acht verschiedenen Phasen vertreten: Teenager, Studenten, junge Menschen, die vor kurzem ihre Ausbildung oder ihr Studium abgeschlossen haben, Alleinstehende ohne Kinder, Verheiratete ohne Kinder, etablierte Familien, junge Erwachsene, die zum ersten Mal auf eigenen Beinen stehen (sogenannte „New Nesters“) und Erwachsene, deren Kinder bereits ausgezogen sind („Empty Nesters“).

Zielgruppenspezifischere Werbekanäle

Die Studie untersuchte auch die Bedeutung verschiedener elektronischer Medien für die einzelnen Gruppen. So bezeichnen 80 Prozent der Studenten ihren Laptop als unverzichtbar, während dieser für mehr als die Hälfte der etablierten Familien weniger wichtig ist. Kinderlose und alleinstehende Erwachsene schätzen ihr Smartphone, während für Teenager besonders ihr iPod mit Videofunktion wichtig ist und die „New Nesters“ vor allem HDTV als bedeutend empfinden. Mit dem Wissen über Untersuchungsergebnisse dieser Art könnten Werbende die gewünschte Zielgruppe über die entsprechend häufig genutzten Kanäle viel direkter ansprechen und erreichen.

Kein neues System wird die aktuelle „werberelevante“ Zielgruppe so schnell ablösen. Wie diese Zielgruppen-Einteilung belegt, sollte nicht alles kritiklos aus den Vereinigten Staaten übernommen werden. Trotzdem zeigt die in der „Life Stage“-Studie entwickelte Neudefinition und Änderung der Einteilung der Zielgruppen aber, dass ein Umdenken nicht nur nötig, sondern auch möglich ist.

<h3>Annegret Hintze</h3>

Annegret Hintze