Interview

„Zucker ist Gift für mich“

von | 10. Dezember 2021

Alexander leidet an einer unsichtbaren Krankheit, die seinen Alltag und sein Studium erschwert.

Auf den ersten Blick führt er ein Leben wie alle anderen. Alexander studiert Nachhaltiges Immobilienmanagement an der Hochschule Mittweida und managt neben seinem Studium den Instagram Kanal vom STURA. Doch im Vergleich zu seinen Kommilitonen lebt er mit einer schweren Einschränkung. Er leidet an Diabetes Typ 2, umgangssprachlich auch Zucker genannt. Die Erkrankung wurde bei ihm mit 21 diagnostiziert und ist seitdem sein ständiger Begleiter. Sie erschwert ihm seinen Alltag und sein Studium, vor allem, da er noch auf eine passende ärztliche Beratung wartet. Wie Alexander mit der Krankheit umgeht und wie sie sich in seinem Uni-Leben spiegelt, verrät er uns im Zoom-Interview.

WAS IST DIABETES TYP 2?

Der Diabetes mellitus Typ 2 ist eine chronische Stoffwechselkrankheit, welche zu den Zivilisationskrankheiten gehört. Dabei haben die Erkrankten einen erhöhten Blutzuckerspiegel. Die Ursachen dafür sind in der Regel:

  • Kombinationen aus erblichen Veranlagungen,
  • ungesunder Ernährung
  • und Bewegungsmangel.

Das kann sich zu einer Insulinresistenz entwickeln. Bei der Insulinresistenz sprechen die Zellen schlechter auf das Hormon Insulin an, sodass diese zu wenig Zucker aufnehmen. Unbehandelt kann die Erkrankung zu akuten Stoffwechselproblemen und gesundheitlichen Langzeitschäden führen. Ein veränderter Lebensstil und eine Behandlung mit Medikamenten können das jedoch verhindern.

DEINE KRANKHEIT KANN MAN DIR NICHT SOFORT ANSEHEN UND DOCH SCHRÄNKT SIE DICH TAG FÜR TAG EIN. WANN HAST DU ERSTE ANZEICHEN BEMERKT?

Alexander: Ich hab es vor fünf Jahren selber bemerkt und bin damit dann zum Arzt. Während meinem Abi merkte ich, dass meine schulischen Leistungen immer schlechter wurden. Ich war einfach nicht mehr aufmerksam und brauchte zu jeder Pause ein süßes Getränk wie Orangensaft. Wenn ich das nicht zu mir genommen hatte, dann ging gar nichts mehr. Dann dachte ich mir so okay, das ist jetzt scheiße, irgendwas stimmt hier nicht. Ich habe mich gleich darüber informiert, was mit mir sein könnte. Irgendwie hatte ich schon das Gefühl, dass es Diabetes sein könnte. Als ich beim Arzt ankam, hatte ich einen hohen Blutzuckerspiegel.

Alexander Weiß
© Alexander Weiß

WELCHE URSACHE(N) HABEN DEN DIABETES TYP 2 VERMUTLICH AUSGELÖST?

Alexander: Das kann man sich so vorstellen: Ich hab mal 111 Kilo gewogen, aber Muskelmasse, war total im Fitnessmodus. Das war meine beste Zeit! Dann hab ich irgendwann mit Fitness aufgehört und bin mit einer toxischen Beziehung auf die schiefe Spur geraten. Ab da ging es komplett in die andere Richtung. Ich hatte kaum Bewegung, war zu speckig und dadurch hab ich Zucker bekommen.

WAS HAST DU DAGEGEN UNTERNOMMEN?

Alexander: Der beste Weg war Sport. Ich hab in drei Monaten 20 Kilo abgeworfen. Das war mir am wichtigsten: keine Tabletten und keine Spritzen. Zurzeit nehme ich jedoch wieder Tabletten, weil ich keine andere Wahl habe. Nach meinem zweimonatigen Urlaub dieses Jahr hat sich mein Blutzuckerspiegelwert auf 32 erhöht, weil ich während der Reise nicht so sehr auf meine Ernährung geachtet habe. Der Hochschulsport hat mir dabei geholfen, wieder auf einen Blutzuckerwert von 7,4 zu kommen. Aber jetzt fällt der Hochschulsport leider aus und es ist egal, ob ich etwas Zuhause mache. Es ist nicht dasselbe.

WAS WAREN DIE REAKTIONEN AUS DEINEM UMFELD?

Alexander: An sich waren alle sehr verständnisvoll. Sie haben nur manchmal geguckt, weil es ein bisschen cringe (merkwürdig) rüberkam, wenn ich Wodka mit Wasser getrunken habe (lacht), weil das ja nicht wirklich ein Genuss ist. Aber man gewöhnt sich relativ schnell dran. Als meine Werte in Ordnung waren, konnte ich mich auch ganz normal mit meinen Freunden verabreden. Wenn aber irgendwo eine Party war und ich auf meine zu hohen Blutzuckerwerte achten musste, kam bei mir auch keine Einladung an, weil sie mich nicht dazu in Verlegenheit bringen wollten.  

WISSEN DEINE KOMMILITONEN VON DEINER ERKRANKUNG?

Alexander: Es ist nicht gleich das Erste, was ich einem Gespräch erzähle (lacht). Die, die mehr Kontakt zu mir haben, wissen das auf alle Fälle. Spätestens, wenn sie beobachten, dass ich nicht so das Gleiche esse wie die anderen in der Mensa.

FINDEST DU IN UNSERER MENSA DIE PERFEKTE ESSENSAUSWAHL FÜR DEINE ERNÄHRUNG ODER SIEHST DU DAS ANGEBOT ALS AUSBAUFÄHIG?

Alexander: In der Mensa ist das schon ziemlich gut, verglichen mit vielen anderen Orten. Selbst Restaurants bieten meistens gar keine Ausweichmöglichkeit für Diabetiker. Ich bin froh, dass es in der Mensa oftmals doch etwas gibt, wo man weiß, dass da wenig Kohlenhydrate drin sind. Es könnte natürlich noch besser sein. Aber Diabetes ist keine so häufig vorkommende Krankheit, sodass sie dafür nicht extra ein Gericht machen. Trotzdem gibt es viele Menschen, die sich gerne Low Carb ernähren. Deswegen wäre das vielleicht eine gute Idee, da so jeder Diabetiker drauf zugreifen könnte.

WIE MACHT SICH DEINE KRANKHEIT IN DEINEM STUDIENALLTAG BEMERKBAR?

Alexander: Jetzt, wo die Werte so hoch sind, bin ich schneller mal schläfrig. Gerade auch im Home-Schooling, wenn etwas online läuft, fällt es mir schwer, aktiv dabei zu sein. Trotzdem versuche ich da schon mein Bestes zu geben. Mein Wille ist stark, so kennt man mich. Ich sag immer: Wer rastet, der rostet und ich will mehr! 

HAST DU WÄHREND EINER PRÜFUNG ODER IN EINER ONLINE-VORLESUNG SCHON MAL GEMERKT, DASS DU ÜBERZUCKERT WARST?

Alexander: Eine Präsenzprüfung hab ich bisher noch nie gehabt (lacht). Bei uns war jetzt so gut wie nur Lockdown. Während Klausuren hab ich manchmal ein Konzentrationsproblem. Deshalb hab ich auch Getränke und was Süßes dabei, weil ich sonst gar nichts mehr packe. Ich muss dann nicht nur extrem auf die Aufgaben achten, sondern auch auf mich und wie ich mich gerade fühle. Wenn ich gestresst bin, wird’s schlimmer. Gerade bei Prüfungsstress wandelt sich das zehnfach. Bisher konnte ich das immer noch irgendwie in Ordnung bringen. Zehn bis zwanzig Minuten habe ich trotzdem manchmal verloren.

HAST DU SCHON MAL AN EINEN NACHTEILSAUSGLEICH GEDACHT?

Alexander: Bisher kam ich immer gut zurecht. Es kam noch nie vor, dass ich irgendwo deshalb durchgefallen wäre. Aber vielleicht habe ich es nötig, wenn mir deswegen mal die Zeit wegfallen sollte.

BIST DU DURCH DEINEN DIABETES SCHON MAL IN EINE NOTSITUATION GEKOMMEN?

Alexander: Komischerweise kam es bei mir trotz sehr hoher Werte noch nie zu einer Unterzuckerung. Das war alles perfekt. Irgendwie hab ich da wenigstens noch Glück. Meistens wird es ja eher im Alter nochmal schlimmer.

EIN LEBEN MIT DIABETES IST…

Alexander: ein Kampf. Jedoch sollte man nie aufgeben. Ich hoffe einfach nur, dass die Leute, die das vielleicht lesen auch diesen Kampfgeist dahinter sehen.

Text: Luzie Carola Rietschel, Titelbild: Luzie Carola Rietschel

<h3>Luzie Carola Rietschel</h3>

Luzie Carola Rietschel

studiert im fünften Semester Medienmanagement an der Hochschule Mittweida. Sie ist eine passionierte Künstlerin, Leiterin der Bildredaktion für medienMITTWEIDA und arbeitet zurzeit als Werkstudentin in einer Werbeagentur.