Kommentar: Anspruchsvoller Sex zur Primetime

von | 11. November 2010

Während das ZDF mit mehr Sexappeal um seine Zuschauer kämpft und Das Erste seine Quoten in den Abgrund schunkelt, hat VOX eine Marktlücke besetzt. Die Bildung am Samstagabend ist nun eine private Domäne.

„Ich wollte immer alle“, betonte Thomas Gottschalk gegenüber DWDL.de-Chefredakteur Thomas Lückerath. Dass er längst nicht mehr alle Zuschauer zum Promi-Kaffeekränzchen „Wetten, dass..?“ begrüßen darf, ist hinlänglich bekannt. Einen Lösungsansatz präsentierten die Verantwortlichen im vergangenen Jahr. Frei nach Hugh Heffners „Sex sells“ wurde Michelle Hunziker dem verdienten Moderator zur Seite gestellt. Der Erfolg blieb allerdings aus.

Ob Hunzikers ultrakurzes Kleid am letzten Samstag in den Notaufnahmen deutschsprachiger Krankenhäuser zu Mehraufwand geführt hat, weil das Herz einiger Männer nicht die benötigte Blutmenge transportieren konnte, ist nicht bekannt. Die Quoten der Sendung allerdings schon: Zwar konnte das ZDF sich beim Gesamtpublikum gegen „Das Supertalent“ durchsetzen, in der immer noch existenten werberelevanten Zielgruppe zählte RTL aber 1,5 Millionen Zuschauer mehr als die Mainzer Konkurrenz.

Luxus der Rundfunkgebühr wird nicht ausgenutzt

Ein Weltuntergang ist das sicher nicht. So soll doch der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland weiterhin die Grundversorgung sicherstellen. Den Luxus, sich bei der Programmgestaltung nicht nach Quoten richten zu müssen, können sich nun mal nur die von Rundfunkgebühren finanzierten Sender leisten. Ein qualitativ hochwertiges Programm sicherzustellen, bei dem der Zuschauer noch etwas lernen kann, kostet eben sehr viel Geld.

Bei gutwilliger Betrachtung brachte Thomas Gottschalk seinem Publikum immerhin gutes Benehmen bei. Als die Wahlitalienerin Hunziker sich im Sitzen fragte, ob ihr schwarzes Kleid nicht doch etwas zu kurz sei, beruhigte sie der Showmaster: „Das seh nur ich – und ich erzähl nichts weiter“. Auch sonst suchen Interessierte in den Abendstunden meist vergeblich nach anspruchsvollem Programm. Unterhaltung wird bei ARD und ZDF so groß geschrieben, dass für nonfiktionale Filme meist erst nach Mitternacht Sendezeit verfügbar ist. Wer etwas lernen will, kann schließlich frühmorgens den Bayerischen Rundfunk einschalten – das Telekolleg läuft ja weiterhin.

Mehr als nur Sex bei VOX

Von den Privatsendern darf ohnehin niemand erwarten, dass anspruchsvolles Programm geboten wird. Ein kurzer Blick zum RTL-Sender VOX reicht da vollkommen aus: „Mehr als nur Sex! – Von Herzensangelegenheiten und Liebesfantasien“ hieß das Thema des Samstagabends. Gezeigt wurden aber Dokumentationen. ‚Während das Zweite Deutsche Fernsehen am Samstagabend also versuchte, seine Zuschauer mit einer leichtbekleideten Blondine bei der Stange zu halten, zeigte VOX nackte Brüste‘, mag sich mancher denken.

Sicher, das Hamburger-Fischmarkt-Prinzip mag die Quote verbessert haben. Die Spiegel-TV-Dokumentationen hatten aber mehr zu bieten als eine pure Zurschaustellung von nacktem Fleisch. Problematiken wie Gewalt durch Zuhälter oder Drogenabhängigkeit von Prostituierten wurden anschaulich und kritisch erklärt. Die erreichten 6,8 Prozent Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe liegen leicht unter dem Senderschnitt. Bei der scheinbar übermächtigen Konkurrenz durch Bohlen und Gottschalk ist das Ergebnis aber durchaus respektabel. Die fiktionalen Sendungen der übrigen Privatkonkurrenz schlugen sich deutlich schlechter. Der Sender der RTL-Gruppe hat mit seinen Samstagabend-Dokumentationen anscheinend eine Marktlücke besetzt.

Zeit zum Umdenken

Warum Das Erste mit einem Best-Of des Musikantenstadls lieber gegen die schier übermächtige Unterhaltungkonkurrenz von RTL und ZDF unterging, anstatt sich mit anspruchvollerem Programm zur Wehr zu setzen, mag dahingestellt sein. Vielleicht leitet die desaströse Quote zumindest ein Umdenken in der ARD ein. Für die öffentlich-rechtlichen Anstalten wäre es immerhin eine Chance, die Kritik an der „Zwangsabgabe Rundfunkgebühr“ zu widerlegen, indem sie mehr bieten als Samstagsabendschunkelei und zu kurze Kleider, die offensichtlich selbst das ehemalige Stammpublikum nicht mehr in gewohntem Maße interessieren.

<h3>Alexander Maack</h3>

Alexander Maack