Kommentar: Frohlockende Sensationsberichte

von | 6. Dezember 2010

Nach dem tragischen Unfall bei "Wetten, dass..?" illustrierten viele Online-Medien den Unfall mit Bildergalerien. Bild-Online entschied sich geschmackloserweise sogar für ein Unfallvideo. Der Deutsche Presserat kann eine Rüge dafür aussprechen, ändern wird dies nichts.

Nach dem tragischen Unfall bei „Wetten, dass..?“ illustrierten viele Online-Medien den Unfall mit Bildergalerien. Bild-Online entschied sich geschmackloserweise sogar für ein Unfallvideo. Der Deutsche Presserat kann eine Rüge dafür aussprechen, ändern wird dies nichts.

Vor drei Wochen stellte sich auf medienMITTWEIDA die Frage, ob die ZDF-Verantwortlichen mit einer leichtbekleideten Blondine bessere Quoten erreichen wollen. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich die Macher von „Wetten, dass..?“ für die riskante Wette kritisieren könnte, bei der ein Kandidat, der schon bei den Proben zweimal stürzte, sich lebensgefährlich verletzte. So einfach ist die Sache aber leider nicht.

Der Express ging auf seiner Startseite nach dem tragischen Vorfall umgehend der Frage einiger Nutzer seines Forums nach, ob es „Wetten, dass..?“ jemals wieder geben wird. Doch ganz ehrlich, bei einer Unterhaltungssendung, die von den kuriosen, teils extrem wagemutigen Handlungen ihrer Wettkandidaten lebt, kann ein Unfall leider niemals vollständig ausgeschlossen werden. Die Entscheidung des ZDF, die Sendung abzubrechen, ist den Verantwortlichen hoch anzurechnen. Künftig wird es wohl weniger risikolastige Wetten geben – zumindest bis der Vorfall vergessen ist und der Alltag im Kampf gegen andere Formate und für die eigene Quote wieder aufgenommen wird.

Multimedialität ist Trumpf

Die Frage, die sich aber jeder stellen sollte, der in irgendeiner Form in der Medienbranche arbeitet oder sich gar als Journalist bezeichnet: Wie weit dürfen Medien bei der Hetzjagd nach Einschaltquote und Klickzahlen gehen? Was ist Berichterstattung und was Sensationsberichterstattung, die der Deutsche Presserat nach Ziffer 11 seines Pressekodex rügen müsste? Während die meisten Online-Medien grenzwertigerweise Bildmaterial von dpa und DAPD nutzten, um anschaulich über den Sturz des Kandidaten zu berichten, scheinen einige Berliner Anlauf genommen zu haben, um die Grenze der Berichterstattung zu überspringen und dann frohlockend bei der Sensationsberichterstattung zu landen.

Anstatt sachlich zu berichten, teaserte Bild-Online den Live-Mitschnitt des Unfalls auf der Homepage an. Während Welt-Online ein Youtube-Video in den Bericht einbettete, offerierte Bild-Digital den Mitschnitt sogar vom eigenen Server. Da stürzt ein Mensch, verletzt sich schwer und was macht ein führendes Onlinemedium? Es fehlten nur noch Zeitlupe, eine dreidimensionale Rundumsicht und die Standbilder, auf denen mit Pfeilen die wichtigsten Gründe für den schweren Sturz markiert sind. Multimedialität ist schließlich Trumpf für Online-Medien. Warum die Redaktion sich trotzdem nur für ein einfaches Video entschieden hat und woher sie in der Kürze der Zeit die Nutzungsrechte bekommen hatte, wollte bei der Axel-Springer-AG auf Nachfrage übrigens niemand erklären. Verwiesen wurde lediglich auf den Pressesprecher der Bild-Gruppe, der sonntags natürlich leider nicht an seinem Arbeitsplatz zu erreichen ist.

Keine Angst vorm Presserat

Beim Gedanken an eine eventuelle Rüge des Presserates bekommt in Berlin offenbar niemand zitternde Knie, weil selbst negative Kritik einfach umkehrbar ist. Der Nutzer bringt schließlich das Geld ein und offenbar ist er so sensationsgeil, dass er sich das Video des Unfalls gerne anguckt. Die deutschen Medien brauchen anscheinend ein Kontrollorgan, das allzu sensationelle Berichterstattung verhindert. Soll dies zukünftig wieder der Presserat sein, so muss er gestärkt werden. Wenn die Sensationsgeilheit die Nutzerzahlen steigert und somit für Einnahmen sorgt, dann muss der Presserat zu seinen Rügen auch finanzielle Strafen festsetzen können. Die Strafen könnten dann in die Aus- und Weiterbildung von Journalisten gesteckt werden. Seminar 1: „Wie erreiche ich Nutzer, ohne Unfälle auszuschlachten?“.

<h3>Alexander Maack</h3>

Alexander Maack