Die Bundesregierung spielt derzeit handlungsunfähig in Klima- und Umweltpolitik. Dabei ist das Thema das drängendste der Zeit. Die ersten Effekte der Klimakrise kommen nun auch in Europa an. Warten, können wir uns also nicht länger leisten. Es wird Zeit den Politikstil grundlegend zu ändern.
Denkt man zurück an 2019, erinnert man sich zwangsläufig an die Aufbruchstimmung in Politik, Medienöffentlichkeit und Umweltbewegung, die es rund um die Bewältigung des Klimawandels gab. Große Pläne wurden für das drängendste Problem unserer Zeit entwickelt, Anforderungen zum Erreichen der Klimaziele aufgestellt – naja und das war es dann auch. Das Momentum ist verschwunden: Die Mehrheit der Bevölkerung sieht Umfragen zufolge aktuell keine Notwendigkeit für schnelleren Klimaschutz.
Daran wird sich nichts ändern, wenn wir weiter schleichen. Rund um den einfachsten und vor allem schnellsten Weg, Klimaneutralität zu erreichen, führt im Moment eine sinnbildliche Umgehungsstraße, von der wir nun schnellstens die Ausfahrt nehmen müssen. Es ist Zeit, in Wirtschaft und Markt einzugreifen und kritische Sektoren staatlich zu lenken.
Der Plan zur Wirtschaft
Um wieder auf den Plan zu kommen, präsentierte Klimaschutzminister Robert Habeck zu Beginn der aktuellen Legislatur das Ziel seiner Amtszeit: Eine Reform des deutschen Wirtschaftens in Richtung der so bezeichneten sozial-ökologischen Marktwirtschaft. Die Beschränkungen, die die Politik für die hiesige Wirtschaft setzt, sollen so nicht mehr nur der sozialen Gerechtigkeit, sondern auch dem nachhaltigen Umgang mit Ressourcen dienen – also zum Beispiel dem Klimaschutz.
Wirklich gut läuft das bis dato nicht. Bis 2030 werden laut Umweltbundesamt in Deutschland mindestens 331 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid mehr emittiert werden, als der Klimaschutzplan der Bundesregierung vorsieht. Gerade im Verkehrssektor tut sich zu wenig. 2023 wurden dort 13 Millionen Tonnen CO2-Äquivalents zu viel ausgestoßen. Damit reißt der Bereich die ohnehin ambitionslosen Klimaziele am deutlichsten von allen. Schon damit lässt sich resümieren: Wir tun nicht genug.
Der Plan zum Ignorieren
Obwohl es also fraglos zu langsam geht, predigt die gesellschaftliche Konservative weiter Technologieoffenheit und will den Markt sich weitestgehend selbst überlassen. Firmen sollen die Treiber der Energiewende werden und innovative Lösungen entwickeln. Das Gros der Unternehmen hat aber kein internalisiertes Interesse an Emissionseinsparungen, wenn die dafür notwendigen Investments nicht einen gewissen Gewinnzuwachs versprechen. Deshalb produziert Volkswagen Elektroautos erst ab einem Mindestpreis, für den man im Verbrenner-Zeitalter noch eine ganze Lagerhalle voller Porsche 911 bekommen hätte.
Diese Abhängigkeit von der Kauflaune wird zum Knackpunkt, wenn die gesellschaftliche Stimmung umschlägt. Das ist aktuell bei den angesprochenen Elektroautos, in der Vergangenheit aber beispielsweise auch bei der Wärmepumpe zu beobachten. Plötzlich brechen, etwa wegen einer medialen Kampagne, die Verkäufe der klimafreundlicheren Lösung ein und schwups werden im Jahre 2024 wieder 60 Milliarden in die Entwicklung neuer Verbrennungsmotoren gesteckt.
Schon hier fehlt die Verlässlichkeit auf den Willen der Unternehmen und dabei handelt es sich hier sogar noch um Branchen, die die Emissionen ihrer Produkte auf dem eigenen und dem gesellschaftlichen Radar haben. Ob es etwa in der Abfallwirtschaft ernsthafte Bestrebungen zur Dekarbonisierung gibt, kann die Öffentlichkeit wohl nicht einmal spekulieren.
Der Plan zur Planerfüllung
Wirtschaftsliberales Denken ist wieder populär im 2024er Deutschland. Und das Ganze soll hier gar nicht auf die Der-Markt-Regelt-Partei FDP allein abgewälzt werden. Neoliberalismus gewinnt im Grundkonsens aller relevanten Parteien stark an Bedeutung. Das ist schade, denn ein starker Staat wäre zum effizienten und planmäßigen Abarbeiten der Schritte zu einem Klima- oder Sozialgerechtigkeitsziel besser im Stande – gerade in drängenden Zeiten wie diesen.
Praktischerweise lässt sich die Wirtschaft auf verschiedene Weisen staatlich lenken. Das höchste der Gefühle in Deutschland sind oft die Subvention und die Sanktionierung. Kaufentscheidungen von Unternehmen und Privatpersonen hängen schließlich zu guter Letzt am Preis. Gerade ökologische Produkte im Preis staatlich zu subventionieren, kann sich auszahlen – schließlich handelt es sich hierbei oft um Investments in die Zukunft des eigenen Landes, die finanziell zurück in die Staatskasse fließen. Anderthalb Milliarden Euro, um das 49-Euro-Ticket seinem Namen gerecht bleiben zu lassen, sollten für den Staat eigentlich keine nennenswerte Ausgabe sein. Das wird sie erst, wenn man die langfristigen Gewinne ignoriert, die durch einen kostengünstigen ÖPNV entstehen.
Der Plan zum Pragmatismus
In machen Fällen ist es auch durchaus sinnvoll, strategisch wichtige Unternehmen der Daseinsvorsorge oder aus anderen strategischen Sektoren zu vergesellschaften oder vorübergehend unter eine Treuhandverwaltung zu stellen. Nichts lässt sich präziser entlang eines Planes führen als ein Staatsbetrieb. So kann man etwa Erdgaskraftwerke genau zum gewünschten Zeitpunkt auf Wasserstoff umrüsten, es könnte ein für jedermann erschwinglicher elektrischer Volks-Wagen gebaut werden oder notwendige Infrastruktur modernisieren. Das könnte auch Christian Lindners Elektro-Porsche nützen.
Anders als weithin behauptet, sind Verstaatlichungen in Branchen der Grundversorgung problemlos mit dem Grundgesetz vereinbar. Wer ein Privatunternehmen in der Daseinsvorsorge betreibt, dem muss klar sein, dass der gesellschaftliche Nutzen seines Unternehmens immer vor seinen Geschäftsinteressen steht. Die Gesellschaft hat fraglos ein Recht, der unsichtbaren Hand des Marktes Handschellen umzulegen, um gesellschaftliches Wohl zu erreichen. Trotzdem braucht es keine maßlosen Enteignungen. Der Staat muss freilich mit den ursprünglichen Eigentümern fair umgehen. Die Stichworte hier sind Entschädigung und Planbarkeit.
Offenbar gibt es durchaus Teile der Bundesregierung, die einer solchen Methodik offen gegenüberstehen. Aus dem Umfeld der Regierungsparteien gibt es etwa Vorschläge, die verstaatlichten Energieversorger Uniper und SEFE für effizienten Klimaschutz aufzustellen. Außerdem plante das Wirtschaftsministerium die Übernahme des Übertragungsnetzbetreibers TenneT TSO, womit man die Dekarbonisierung von Süddeutschlands Strom hätte vorantreiben können. Am Ende mangelte es dann am Budget für den Kauf. Wie üblich spielt es für die Bundesregierung wohl keine Rolle, dass sich solche Investitionen auszahlen – man die Übernahme also mit einem Kredit hätte finanzieren können.
Letztlich kommt es auf einen grundlegenden Strategiewechsel in der Politik an. Projekte müssen endlich mehr als solche erkannt und dementsprechend planvoll durchgeführt werden. Das betrifft neben dem Klimaschutz etwa auch die soziale Gerechtigkeit, wobei an diesem Thema im politischen Spektrum derzeit scheinbar recht wenig Interesse besteht. Erst wenn die Wirtschaft stärker zum Werkzeug der Bevölkerung wird, können wir als Gesellschaft effizient auf Ziele aller Art zuarbeiten – und zwar mit Vollgas.
Text, Illustration: Loris Oberländer