Die „ProSiebenSat. 1 Media AG“ erweitert mit „MyVideo“ ihre Senderpalette: Umstrukturiert wird das Portal dafür aber nicht, sondern nur um mehr Inhalte ergänzt. Ab Herbst soll auf dem damit künftig fünften Sender der Gruppe eine tägliche Live-Strecke zu sehen sein.
„MyVideo“ als eigenständiger Sender
„ProSiebenSat. 1 Digital“-Geschäftsführer Markan Karajica ist überzeugt vom Erfolg der neuen Senderpositionierung, wie er medienMITTWEIDA darlegte: „Da ‚MyVideo‘ als reichweitenstärkste Bewegtbildplattform von ‚ProSiebenSat. 1‘ alle technischen und inhaltlichen Voraussetzungen mitbringt, um ein TV-Sender zu sein, haben wir ihn quasi als fünften Sender der Gruppe positioniert.“
Auch Medienexperte Bertram Gugel hält die Pläne der Sendergruppe nur für konsequent. Er beschäftigt sich seit sieben Jahren mit der Schnittstelle von TV, Internet und Film. „Endlich wird einer Online-Plattform die gleiche Priorität beigemessen, wie einem TV-Sender. ‚ProSiebenSat. 1‘ trägt damit der wachsenden Bedeutung von ‚MyVideo‘ für die Distribution der eigenen Inhalte im Netz Rechnung“, erklärt Gugel.
Dennoch sei die Neupositionierung verspätet. Wäre die Entscheidung früher gefallen, so Gugel, hätte „MyVideo“ eine reelle Chance auf die Marktführerschaft gehabt. „Jetzt wird es sehr schwer, wieder Boden auf ‚YouTube‘ gut zu machen“, weiß der Medienexperte.
Ausrichtung bleibt verbesserungswürdig
Mit dem Online-Sender will „ProSiebenSat.1“ eine jüngere Zielgruppe erreichen. Für die sollen auch eigene TV-Formate produziert werden, bis hin zu einem interaktiven Spiele-Magazin. Schließlich werden „viele junge Menschen mit dem Laptop auf den Knien medial sozialisiert“, begründet „ProSiebenSat. 1“-Vorstandschef Thomas Ebeling im „Handelsblatt„. Im Vergleich dazu sollen sich die klassischen TV-Sender auf Inhalte für ältere Zuschauer konzentrieren.
Für Bertram Gugel ist die Entscheidung, sich mit „MyVideo“ auf eine jüngere Nutzergruppe zu fokussieren, ein Fehler: „Das größte Online-Wachstumspotential liegt bei den älteren Zielgruppen, da diese erstens noch nicht alle online sind, zweitens mit den TV-Marken sozialisiert wurden und diesen vertrauen und drittens die größte Bevölkerungsgruppe in Deutschland darstellen.“ Selbst „YouTube“ sei mittlerweile daran interessiert, ein älteres Publikum zu erreichen.
Keine Konkurrenz
Mit den klassischen „ProSiebenSat.1“-Sendern soll „MyVideo“ aber nicht konkurrieren. „Das non-lineare ‚MyVideo‘ ergänzt unsere linearen Sender. Gemeinsamer Nenner aller fünf Medienmarken ist das audiovisuelle Bewegtbild in Fernsehqualität“, erklärt Geschäftsführer Karajica. Auch die derzeitige „MyVideo“-Musiksammlung von 42.000 Titeln soll weiter verfügbar bleiben.
Die Zukunft des Fernsehens
„Die Nutzer erwarten mehr Kontrolle über das Programm, interagieren auf Smartphones und Tablets und konsumieren mehr und mehr on demand“, sagt Medienexperte Gugel. Die Branche sei im Umbruch, ähnlich wie der Handy-Markt kurz vor Einführung des „iPhones“. Markan Karajica bestätigt die Wechselwirkung zwischen Fernsehen und Internet: „Online pusht die TV-Quoten, denn das Internet bringt uns auch immer wieder neue Zuschauergruppen ins Fernsehen, das für viele das Live- und damit Leitmedium ist.“
Aktuellstes Beispiel: Die heute Abend im TV startende zweite Staffel von „Spartacus“. Sie war vorher schon auf „MyVideo“ zu sehen – eine Strategie, die für den Medienkonzern bereits bei der ersten Staffel funktionierte.