„Es gibt tausend Krankheiten, aber nur eine Gesundheit” – mit diesen Worten beschrieb bereits Ludwig Börne die Wichtigkeit der Gesundheit eines jeden Menschen. Mit hunderten Milliarden Euro Ausgaben jährlich, wie das Statistische Bundesamt mitteilt, ordnet man auch in Deutschland der Gesundheit eine große Wichtigkeit zu. Doch trotz dieser hohen Ausgaben liegt die Bundesrepublik im Verhältnis zur Ergebnisqualität, laut einer Studie von The Lancet, nur auf Platz 20 im weltweiten Vergleich.
Die Geburt, der erste gestauchte Arm oder die letzen Schritte nach einer schwierigen Operation – dies sind nur ein paar der alltäglichen Momente, die von Ärzten und Pflegenden begleitet werden. Diese verantwortungsvollen Berufe finden sich in einem Krankenhaus wieder und werden dort idealerweise zum Wohl des Menschen ausgeführt.
Als Redakteure von medienMITTWEIDA wollen wir einen Überblick in Form eines Interviewdossiers verschaffen und teilen die zahlreichen Elemente, die wesentlich zum Gesundheitssystem in Deutschland beitragen, in verschiedene Abschnitte. Für einen subjektiven Einblick in das Geschehen sprechen wir mit zwei Vertretern der einzelnen Instanzen sowie einen Angehörigen des Kerns der Gesundheitspflege: Dem Patienten. Die wichtigen Bereiche werden dabei in die Elemente des Finanzierungs- und Versicherungssystems sowie die Hygienebereiche und in die Arbeit der allgemeinen Pflegekräfte und Ärzte eines Krankenhauses eingeteilt. Wir möchten die Relevanz dieses komplexen Themengebietes verdeutlichen, jedoch auch Rücksicht auf die Fülle der Informationen nehmen und die relevanten Punkte dem Leser kompakt und, in eben diese Teilbereiche eingegrenzt, näher bringen. Das Ziel dieses ausgeprägten Dossiers ist es, dem Gesundheitssystem ein Gesicht zu geben, die subjektiven Meinungen einzelner direkter Akteure zu zeigen und die Signifikanz dieses Systems und etwaiger Fehler darzulegen.
Mit finanziellen Mitteln in Richtung Zukunft
Die Linderungen von Schmerzen und Behandlungen von Erkrankungen sowie alle weiteren Eingriffe und Aufgaben müssen wie zahlreiche andere Dienstleistungen auch finanziert werden. In Deutschland basiert dies auf dem Prinzip der dualen Finanzierung: Hierbei müssen die Krankenhäuser die laufenden Betriebskosten durch die medizinischen und ärztlichen Behandlungen selbst erwirtschaften.
Wenn ein Krankenhaus jedoch eine notwendige Investition wie ein technisches Gerät oder einen Umbau in Betracht zieht, um zukunftsorientierter arbeiten zu können, bezahlt dies das jeweilige Bundesland. Diese Fördermittel der Länder sind jeweils an eigens festgelegte Qualitätsanforderungen gebunden. So entsteht laut Agenda 2030 ein Finanzierungssystem aus zwei verschiedenen Standbeinen: Dem jeweiligen Bundesland als Geldgeber sowie den eigens erwirtschafteten Gewinnen. Genauer betrachtet, entsteht durch diese Methode aber ein Nachteil: Die wirtschaftliche Zukunftssicherung können Krankenhäuser nur durch komplexe und kostenintensive Umbauten erbringen, da Ärzte ihre Patienten oft nur zu modernen Einrichtungen mit zertifizierter Medizinqualität verweisen. So muss ein Krankenhaus inmitten des Konkurrenzdrucks zu anderen medizinischen Einrichtungen, wie einzeln stationierten Haus- oder Fachärzten, stets neue Umbauten verwirklichen und sich dem technischen Fortschritt anpassen – doch das erzeugt hohe Kosten für die Bundesrepublik Deutschland.
Duale Finanzierung
Seit dem Krankenhausfinanzierungsgesetz von 1972 teilen sich die Bundesländer und die gesetzlichen Krankenkassen die Krankenhausfinanzierung: Die Investitionskosten werden durch das jeweilige Bundesland übernommen, die Krankenkassen finanzieren die laufenden Betriebskosten durch die Patientenbeiträge.
Eine Milliarde Euro täglich
Nachdem bereits in den letzten Jahren ein Kostenwachstum für das Gesundheitssystem zu vermerken war, sind die Ausgaben im Jahr 2017 laut dem Statistischen Bundesamt auf ein Höchstmaß gelangt. Mit Kosten in Höhe von 374,2 Milliarden Euro wurden erstmals eine Milliarde Euro täglich für das Gesundheitssystem in Deutschland aufgewandt. Die gesetzlichen Krankenkassen haben dabei mit 212,4 Milliarden Euro den größten Teil beigetragen. Die private Krankenversicherung hingegen bezahlte einen wesentlich kleineren Anteil von 31,6 Milliarden Euro.
Eine Krankheit, zwei Systeme
Nach der seit 2007 geltenden Gesundheitsreform in Deutschland muss jeder Bundesbürger für den Fall einer Krankheit gesetzlich abgesichert sein. Dadurch gehört die Krankenversicherung, wie auch die Unfall-, Renten- und Pflegeversicherungen, zu den gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungen. Doch Versicherung ist nicht gleich Versicherung: Das System in Deutschland bietet zwei verschiedene Möglichkeiten, um sich vor Krankheiten und Verletzungen finanziell abzusichern. So ist es möglich, in einer gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) oder einer privaten Krankenversicherung (PKV) abgesichert zu sein. Welche Personen dabei Anspruch auf welche Versicherungsart haben, wird durch das geltende Gesetz geregelt.
Mehr als 90 Prozent der in Deutschland lebenden Menschen sind Kassenpatienten, also gesetzlich versichert, so die Süddeutsche Zeitung. Das betrifft meist alle Menschen, die weniger als 54.900 Euro im Jahr verdienen, sowie die meisten Studierenden und Rentner. Der kleinere Teil mit einem höheren Gehalt als der geltenden Jahresgrenze hat die Option, sich freiwillig privat versichern zu lassen. Beamte wie Polizisten oder Lehrer erhalten einen Anspruch auf Beihilfe von 50% durch den Bund oder das jeweilige Bundesland, sofern sie sich privat versichern lassen. Die beiden Möglichkeiten, die das deutsche Gesetz bietet, unterscheiden sich vor allem in den Beiträgen und Leistungen. Während die Beiträge in der GKV anhand des Einkommens des Einzelnen berechnet werden, müssen privat versicherte Patienten ihre Beiträge gemessen an den gewünschten Leistungen, dem individuellen Risiko, dem gesundheitlichen Zustand sowie dem Eintrittsalter zahlen.
Bezüglich der Leistungen bietet die GKV immer nur die kostengünstigste Behandlung und Versorgung, die ausreichend Erfolg verspricht. Anhand des Minimalprinzips wird so nur das Nötigste zur Heilung der Versicherten gezahlt. Bei den Privatpatienten unterscheiden sich die Leistungen vom gewählten Tarif. Oft setzen Basis-Tarife hohe Selbstbeteiligungen voraus und bieten dabei ähnliche Leistungen wie die gesetzliche Versicherung – zu einem Preis von maximal 639,38 Euro pro Monat (Stand 1. Januar 2015). Während hierbei nur der geringste Tarif beglichen wird, ist genau diese Summe die Maximalgrenze der Beiträge für die GKV, womit sich ein deutlicher Kostenunterschied für den Patienten ergibt.
Ein guter Freund auf dem Weg der Heilung
Oft sprechen Experten bei der immer älter werdenden Bevölkerung und dem gleichzeitigen Mangel an Pflegekräften von einem „Pflegenotstand”. Aktuellen Prognosen zufolge könnte es im Jahr 2030 etwa 3,4 Millionen Pflegebedürftige geben, aber etwa 500.000 Pflegekräfte zu wenig, so das Onlineportal Ausbildungspark. Gibt es daher einen gesellschaftlichen Druck, diese Prognosen vorzubeugen?
In einem Krankenhaus wird der Patient und seine Krankheitserscheinungen von geschultem Personal untersucht und behandelt. Dabei sind die Krankenschwestern und -pfleger diejenigen Mitarbeiter, die an der Seite von Chefärzten arbeiten. Die Aufgabe der Pflegekräfte besteht darin, die Patienten beim Bewältigen der Grundpflege, wie der Körperhygiene oder Ernährung zu begleiten. Weiterhin ist es die Aufgabe des Pflegepersonals, die gesundheitliche Entwicklung zu überwachen und die anfallenden Betreuungsvorhaben und -maßnahmen zu koordinieren. Gesundheitspfleger und Krankenschwestern gelten so als Bindeglied zwischen Patienten und Ärzten.
Das Gehalt der Krankenschwestern und ihrer männlichen Kollegen ist dabei nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Rechts (TVöD) festgelegt, wobei man nach einer bestimmten Zeit in eine höhere Gehaltsstufe aufsteigt. Nach der Ausbildung erhält man ein Einstiegsgehalt von 2.000 bis 2.400 Euro brutto, zuzüglich jeweiliger Zuschläge durch Nacht-, Sonn- und Feiertagsschichten. Nach 13 Jahren verdienen Mitarbeiter einer Klinik bereits 3.200 Euro brutto. Diese Maßstäbe gelten allerdings nur für den öffentlichen Dienst. Privatisierte Klinikbetriebe zahlen meist deutlich weniger an ihre Krankenpfleger.
Hygiene von oberster Priorität
In einer Einrichtung, wo tagtäglich kranke Patienten behandelt und viele Menschen mit Verletzungen als Notfall eingeliefert werden, haben viele Themen eine hohe Priorität, damit der Behandlungsprozess optimal verläuft. So ist auch die Hygiene ein wichtiger Punkt, der in einem Krankenhaus durch Vorschriften und Bestimmungen geregelt ist – doch sind diese auch ausreichend auf dem Niveau der heutigen Medizin angelangt?
Jährlich infizieren sich 400.000 bis 600.000 Patienten in deutschen Kliniken mit Krankheiten, die sie vor der Einlieferung nicht hatten, so das Bundesministerium für Gesundheit. Dieses geht laut aktuellen Schätzungen von 10.000 bis 15.000 Menschen aus, die jedes Jahr an solchen Krankenhausinfektionen sterben. Um diese Zahlen erheblich zu senken, gibt es seit 2013 das Hygieneförderprogramm, welches bundesweit Weiterbildungen und Beratungen von Personal ermöglicht. Ebenfalls sind die aktuellen Bestimmungen, zum Beispiel auf speziellen Stationen wie der Neugeborenenstation oder auch in Apotheken, durch sehr strenge Hygienevorschriften geregelt. Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) klärt dabei die zu einzuhaltenden Maßnahmen, doch oft gelangt die erlernte Gründlichkeit bereits bei der Handhygiene in Vergessenheit. Dies geht aus Informationen des Bundesministeriums für Gesundheit hervor. Eine den Vorschriften gerechte Handhygiene erfordert einen Zeitaufwand von 30 Sekunden. Bei streng getakteten Zeitplänen innerhalb einer Klinik können diese Sekunden bei häufigem Wiederholen zu mehreren Minuten führen. Bereits seit 2008 gibt es die „Aktion Saubere Hände”, die sich mit dem Problem der nachlassenden Handhygiene beschäftigt und versucht, Lösungsansätze dafür zu finden.
So die Theorie – und die Praxis?
Um diese zahlreichen theoretischen Fakten und Zahlen aus dem deutschen Gesundheitssystem mit persönlichen Eindrücken zu verknüpfen, hat sich medienMITTWEIDA mit drei Akteuren der einzelnen Instanzen zu den verschiedensten Themen aus dem Bereich der Gesundheit unterhalten. Die folgenden Interviews sind subjektive Meinungen und Einschätzungen auf allgemeine Fragen.
Das erste Interview aus der Reihe: „Wie krank ist das deutsche Gesundheitssystem?” haben die medienMITTWEIDA-Redakteure Philipp Funccius und Anton Baranenko mit einem Angehörigen eines Patienten geführt. Der Patient hatte eine allgemeine Schwäche sowie eine atypische Lungenentzündung und verstarb letztendlich auch daran.
Zum ersten Interview: „Dies hat kein Mensch in den letzten Tagen seines Lebens verdient”
Innerhalb des zweiten Interviews konnten die Redakteure einige Fragen an eine auszubildende Krankenschwester und deren allgemeine Arbeitsbedingungen und -abläufe stellen, um einen Einblick in dieses Feld zu erhalten. Clara erlernt den Beruf der Gesundheits- und Krankenpflegerin im Rahmen eines dualen Studiums in einem Krankenhaus in Dresden. Im Zuge des Studiums arbeitet sie im Krankenhaus, aber besucht zu Lern- und Weiterbildungszwecken sowohl eine Universität als auch eine Berufsfachschule.
Zum zweiten Interview: „Meiner Meinung nach gibt es viel Luft nach oben”
Das abschließende Interview der Interviewserie zum deutschen Gesundheitssystem thematisiert die Arbeit und Position von Ärzten in Deutschland. Hierzu haben die Redakteure von medienMITTWEIDA einen praktizierenden Allgemeinmediziner nach seiner Meinung gefragt. Werner Seehars kann dank seiner vielen Erfahrungen als leitender Arzt einer staatlichen Praxis, Teilnehmer am kassenärztlichen Bereitschaftsdienst und als Kassenarzt eine fundierte Meinung zu dieser Thematik abgeben.
Zum dritten Interview: „Natürlich fehlt es heute mehr an der menschlichen Wärme”
Text: Philipp Funccius, Anton Baranenko; Titelbild: Anton Baranenko