Das schrille Klingeln der Schulglocke durchbricht die Stille im Klassenzimmer und holt Sarah abrupt aus ihren Gedanken. Hektisch kritzelt sie den letzten Satz ihrer Deutschklausur auf das Papier, bevor sie das Blatt ihrem Lehrer überreicht. Mit einem Seufzer der Erleichterung verlässt sie den Raum, doch die Erholung dauert nur kurz. Sarah bleibt noch einen Moment, um mit Freunden zu plaudern. Aber der nächste Termin wartet.
Durch den Alltag mit Struktur und Leidenschaft
Nach einem langen Schultag beginnt für Sarah der zweite Teil ihres Tages. Laut den Daten des Statistischen Bundesamtes waren Anfang 2023 etwa 50 Prozent der Kinder und Jugendlichen unter 19 Jahren in Deutschland Mitglied in einem Sportverein. Das entspricht knapp 7,6 Millionen jungen Menschen. Für diese Schüler, wie Sarah, bedeutet das oft einen straffen Zeitplan: Hausaufgaben, Lernen für Prüfungen und regelmäßiges Training müssen unter einen Hut gebracht werden. Im Fall von Sarah steht nach den schulischen Verpflichtungen noch das Volleyballtraining auf dem Programm.
Sarah ist 17 Jahre alt und steht kurz vor ihrem Abitur. Parallel dazu spielt sie als Jugendspielerin in der Frauen-Volleyball-Regionalliga in Chemnitz – dies erfordert viel Disziplin und Leidenschaft. Volleyball begleitet sie bereits seit ihrer Kindheit: Mit zehn Jahren schnürte sie erstmals ihre Sportschuhe für diesen Sport. Seitdem hat sie sich stetig weiterentwickelt und spielt seit ihrem 16. Lebensjahr in der Regionalliga. Heute trainiert sie mehrmals wöchentlich auf hohem Niveau. Sarahs Tage sind minutiös durchgeplant. Anders wäre es unmöglich, Schule und Volleyball unter einen Hut zu bringen. Um halb sieben beginnt ihr Tag, wenn der Wecker sie aus dem Schlaf holt. Schon um halb acht startet der Unterricht, der je nach Tag zwischen 15.00 und 17.00 Uhr endet. „Ich mache mir immer einen Plan, was ich bis wann machen muss, und dann passt das schon“, erklärt sie locker. Nach der Schule wird die Zeit für Hausaufgaben, Lernen und Training so effizient wie möglich genutzt. „Je nachdem, ob ich später oder früher Training habe, mache ich meine Aufgaben entweder davor oder danach.“ Drei Mal pro Woche geht es dann zum Training, das sich bis 22 Uhr erstreckt, da die meisten Spielerinnen bereits studieren, berufstätig sind oder Familien haben und daher erst am Abend die nötige Zeit finden, um zu trainieren.
Die Doppelbelastung verlangt ihr einiges ab, vor allem in den Prüfungsphasen. Doch anstatt sich davon entmutigen zu lassen, hat Sarah einen Weg gefunden, den Sport als Ausgleich zu nutzen. „Ich kann nicht richtig lernen, wenn ich keinen Sport mache“, sagt sie.

Sarah am Aufschlag, Foto: Emma Theuring
Druck, Zweifel und Ehrgeiz
Der Druck in der Regionalliga ist nicht zu unterschätzen. „Unsere Trainerin erwartet von uns, dass wir sowohl beim Training als auch bei den Spielen dabei sind, schließlich haben wir uns bewusst dafür entschieden, in der Liga zu spielen – und dazu gehört es, die nötige Leistung zu bringen.“ Absagen seien nicht allzu gern gesehen. Spielerinnen, die im Training nicht regelmäßig anwesend sind oder nicht die nötige Bereitschaft zeigen, würden weniger Spielzeit erhalten, erklärt Sarah. Fast jedes Wochenende fährt das Team zu Auswärtsspielen, beispielsweise nach Dresden, Leipzig oder Erfurt. Besonders in Prüfungszeiten kann das schwierig werden. „Wenn es zu stressig wird, lasse ich auch mal ein Training oder ein Spiel ausfallen“, sagt sie. Ihre Trainerin zeigt Verständnis dafür, dass das Abitur Vorrang hat, was Sarah zu schätzen weiß.
Dennoch gibt es auch Momente des Zweifelns. „Gerade während der letzten Saison habe ich darüber nachgedacht, mit Volleyball aufzuhören“, gibt sie offen zu. „In der Regionalliga ist es so: Wenn du gut spielst, bleibst du auf dem Feld, aber wenn du nicht lieferst, wirst du ausgewechselt – so ist das eben, es geht ja ums Gewinnen. Letzte Saison war es oft schwierig für mich, weil ich zu jedem Spiel mitgefahren bin, aber nicht immer Einsatzzeit bekommen habe.“ Besonders in einer Zeit, in der andere Verpflichtungen wie Schule oder soziale Kontakte drängen, kann das Gefühl, nicht genügend Spielzeit zu erhalten, frustrierend sein.
Die Kombination aus Abitur und Regionalliga-Volleyball erfordert nicht nur Disziplin, sondern auch viele Kompromisse. Sarah setzt klare Prioritäten: „Das Abitur mache ich nur einmal und es hat Auswirkungen auf meine Zukunft“, sagt sie. Schule steht deshalb für sie an erster Stelle. Dennoch versucht sie, auch andere Lebensbereiche nicht zu vernachlässigen. „Ich möchte ein gutes Abi schreiben, aber auch meine Freunde und das Training unter einen Hut bekommen“, erklärt sie. Der Anspruch, allem gerecht zu werden, kann anstrengend sein. „Man kann nicht immer alles machen. Aber wenn man alles ein bisschen durchstrukturiert, kann man sich für die Dinge, die einem wichtig sind, Zeit nehmen“, betont sie. „Man hat mehr Zeit als man denkt.”
Zwischen Hörsaal und Volleyballfeld: Das perfekte Studium
Sarah blickt trotz ihrer anspruchsvollen Doppelbelastung optimistisch in die Zukunft. Nach dem Abitur plant sie zu studieren, möchte aber ihre Leidenschaft für Volleyball nicht aufgeben. „Wenn es eine Mannschaft gibt in der Stadt, in der ich dann vielleicht studiere, hätte ich schon Lust, weiter Volleyball auf hohem Niveau zu spielen.”
Von ihrer zukünftigen Universität erhofft sich Sarah Unterstützung und Verständnis für ihre sportlichen Ambitionen. „Es wäre schön, wenn die Universität Volleyball für Studierende anbieten würde, vielleicht mit speziellen Trainingszeiten für Studentengruppen“, sagt sie. Besonders wichtig ist ihr auch, dass das Volleyballspielen finanziell machbar bleibt: „Es sollte für Studierende bezahlbar sein, idealerweise mit geringen oder keinen Kosten.“ Sollte sie in einem externen Verein auf hohem Niveau spielen, wünscht sie sich mehr Flexibilität seitens der Universität: „Es wäre gut, wenn es möglich wäre, bei wichtigen Auswärtsspielen oder Turnieren auch mal eine Vorlesung verpassen zu können. Es wäre toll, wenn man dafür bestimmte Vereinbarungen treffen könnte.“

Sarah beim Heimspiel gegen Plauen , Foto: Emma Theuring
Doppelte Karriere: Hochschulen schaffen Raum für Sport und Bildung
Nicht nur Schüler wie Sarah stehen vor der Herausforderung, Leistungssport und Bildung miteinander zu verbinden – auch Studierende müssen oft ihren Alltag zwischen Vorlesungen, Prüfungen und Training organisieren. Doch wie sieht die Unterstützung seitens der Hochschulen aus? Professor Markus Drowatzky, Beauftragter für Spitzensport an der Hochschule Mittweida, gibt Einblicke.
„Es ist unser Ziel, Studierenden in besonderen Lebenslagen – sei es mit Familie, Behinderung oder im Leistungssport – ein Studium zu ermöglichen, das ihren Bedürfnissen gerecht wird“, erklärt Professor Drowatzky. Die Hochschule Mittweida ist als Partnerhochschule des Spitzensports zertifiziert, was bedeutet, dass sie spezielle Angebote für Sportler bereithält. „Flexibilität ist dabei ein Schlüssel“, so der Professor.
Ein zentraler Aspekt ist die Anpassung des Studienverlaufs an die individuellen Anforderungen der Sportler. „Wir reduzieren beispielsweise die Anzahl der Module pro Semester, sodass Studierende statt sechs nur vier Module absolvieren. Dadurch wird der Arbeitsaufwand überschaubarer“, berichtet Drowatzky. Auch die Verlegung von Prüfungen oder die Möglichkeit, alternative Prüfungsleistungen zu erbringen, gehören zum Angebot. „Ein Schwimmer zum Beispiel, der an einem Wettkampf teilnimmt, kann seine Klausur vor- oder nachschreiben – das organisieren wir gemeinsam.“ Professor Drowatzky betont außerdem, dass der enge Kontakt zwischen Studierenden und Lehrenden an kleinen Hochschulen wie Mittweida ein Vorteil sei: „Es ist einfacher, individuelle Lösungen zu finden, wenn man die Bedürfnisse der Studierenden persönlich kennt.“ In manchen Fällen greifen Studierende auch auf Nachteilsausgleiche zurück , die über die Sozialkontaktstelle beantragt werden können. Diese Unterstützung reicht von zeitlicher Anpassung bis hin zu zusätzlichen Lernmaterialien.
Für viele Leistungssportler ist auch die finanzielle Unterstützung ein entscheidender Punkt. Stipendien speziell für Sportler sind eine Möglichkeit, den Spagat zwischen Sport und Studium zu erleichtern. Darüber hinaus bietet die Hochschule Zugang zu Trainingsanlagen und organisierten Kooperationen mit sportnahen Institutionen wie der Bundeswehr oder Olympiastützpunkten.
Die besondere Unterstützung von Sportlern erfordert von den Hochschulen nicht nur Flexibilität, sondern auch Ressourcen. „Manchmal müssen wir kreative Lösungen finden, da wir nicht immer zusätzliche finanzielle Mittel für diese Betreuung erhalten“, gibt Drowatzky zu. Dennoch sieht er die Förderung als lohnenswert an: „Wir tragen dazu bei, dass die Studierenden nicht nur im Sport erfolgreich sind, sondern auch für die Zeit danach eine Perspektive haben.“
Erfolgreiche Vorbilder an der Hochschule Mittweida
Dass es möglich ist, die Herausforderung von Studium und Leistungssport erfolgreich zu meistern, beweisen einige Beispiele aus der Hochschule Mittweida. Diese hat bereits talentierte Studierende hervorgebracht, die sowohl im Sport als auch im Studium Spitzenleistungen erzielt haben.
Einer von ihnen ist Eric Frenzel, mehrfacher Olympiasieger und Weltmeister in der Nordischen Kombination. Neben seinen sportlichen Erfolgen studierte er Wirtschaftsingenieurwesen in Mittweida. Sein Tagesablauf war eng getaktet, doch mit Unterstützung der Hochschule fand er Wege, Studium und Training zu vereinbaren.
Auch Jonas Kusche, ein national und international erfolgreicher Schwimmer, gehört zu diesen Vorbildern. Während seines Sportmanagement-Studiums nutzte er die Flexibilität der Hochschule, um regelmäßig Wettkämpfe zu betreiben und dennoch seine akademischen Ziele zu verfolgen.
Auch für Sarah steht bald der nächste große Schritt – das Studium – bevor, doch eines ist sicher: Egal, wo sie landet, der Sport wird weiterhin ein fester Bestandteil ihres Lebens bleiben. Trotz aller Herausforderungen hat Sarah gelernt, mit Druck umzugehen, Prioritäten zu setzen und ihre Leidenschaft für den Sport mit ihren Zukunftsplänen zu vereinen. Denn für Sarah ist klar: Wenn man seine Zeit gut nutzt, kann man mehr erreichen, als man denkt.
Text, Titelbild, Fotos: Emma Theuring