Marketing um jeden Preis

von | 4. April 2011

"The Show must go on" war das Motto der letzten "Deutschland sucht den Superstar"-Show. Während die 60 Fans, die sich bei einer Autogrammstunde in Oberhausen verletzt hatten, in der Live-Sendung nahezu unerwähnt blieben, kam es zu einer weiteren Panne. Fehlerhafte Einblendungen führten zum Abbruch des Telefon-Votings.

Bei „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) kehrt keine Ruhe ein. In der letzten Motto-Show kam es zu einer neuerlichen Panne. Aufgrund von falschen Inserts musste das Telefon-Voting abgebrochen werden. Bei der abendfüllenden Show wurden die Telefonnummern für zwei Kandidaten vertauscht. Schlussendlich entschieden die Verantwortlichen souverän. „Wir schicken heute niemand nach Hause“, erklärte Chefjuror Dieter Bohlen. „Es wird so sein, dass wir das DSDS-Finale nicht am 30. April sondern am 7. Mai haben werden.“ Die Anrufe, die bis zur Panne eingingen, sollen nun für die nächste Show gewertet werden. Zuschauer, die später anriefen, haben ihr Geld jedoch vergebens investiert.

Randnotiz Unfallgeschehen

Das Telefon-Voting war jedoch nicht die erste Nachricht, mit der die DSDS-Verantwortlichen in der vergangenen Woche negativ auffielen. Am 27. März verletzten sich rund 60 Fans im Gedränge vor einem Einkaufszentrum in Oberhausen. Schon im letzten Jahr hatte es in Bochum und Duisburg ähnliche Vorfälle gegeben. In der DSDS-Show am Samstag blieb das Unfallgeschehen vom vorigen Wochenende unterdessen nur eine Randnotiz. Für einige der verletzten Fans wurde schnell ein improvisiertes Treffen mit den DSDS-Kandidaten organisiert, eine DSDS-Torte angeschnitten. Marketing und Show anstelle von Verbesserungsvorschlägen.

Weder Star-Moderator Marco Schreyl noch die Jury um Dieter Bohlen verlor ein Wort über Einzelheiten der Massenhysterie in Oberhausen. Alles wurde in einer MAZ in ein James-Bond-Manöver umgemünzt, bei dem die DSDS-Kandidaten vor den hysterischen Fans fliehen mussten. „Schade für die Fans“, fanden auch DSDS-Kandidaten Pietro, Marco und Zazou. Eine Entschuldigung kam Moderator Schreyl gerade noch über die Lippen, danach galt nur noch: The show must go on.

DRK beklagt Unterbesetzung bei der Autogrammstunde

„Das war kein Sanitätsdienst mehr, das war eine öffentliche Lage, die unter Kontrolle gebracht werden musste“, sagt Pressesprecher Jörg Fischer vom Deutschen Roten Kreuz über die Autogrammstunde vom 27. März. Anstelle der erwarteten 5.000 Fans drängten sich zeitweise bis zu 19.000 Menschen im Oberhausener Einkaufszentrum. Es folgte eine Massenhysterie, als die Autogrammstunde wegen des zu hohen Fanaufkommens abgebrochen werden musste. 60 Jugendliche erlitten bei dem Gedränge Kreislaufzusammenbrüche und Quetschungen. Mit einem Krankenwagen, vier Sanitätern und zwei DRK-Mitarbeitern war der vom Centro-Management bestellte Sanitätsdienst viel zu gering dimensioniert. Laut Sprecher Jörg Fischer sei das DRK zu einer Veranstaltung mit rund 2.500 Menschen bestellt worden. Die Sanitäter mussten zusätzliche Verstärkung durch die Feuerwehr anfordern.

Insgesamt mussten vier Fans mehrere Tage im Krankenhaus verbringen. Der Geschäftsführer des Einkaufszentrums, Frank Pöstges-Pragal, räumte ein, dass das Ausmaß des Fanaufkommens unterschätzt worden sei. Fernsehformate wie DSDS verfügten über eine nicht kalkulierbare Fan-Struktur. „Unsere Schlussfolgerung und Konsequenz kann daher nur lauten, dass es derartige Veranstaltungen im Centro nicht mehr geben wird“, führte Pöstges-Pragal weiter aus. Zudem arbeite man eng mit der Polizei zusammen. Auch RTL entschuldigte sich: „Es tut uns leid für die Fans. Wir werden überlegen, womit wir den verletzten Fans eine Freude machen können“, sagte RTL-Sprecherin Anke Eickmeyer. Weder RTL noch Veranstalter Centro hätten mit einem so großen Ansturm gerechnet.

Sonderkommission ermittelt

Umgehend nach der Massenpanik in Oberhausen hat die Polizei eine aus 14 Ermittlern bestehende Sonderkommission gebildet. Aktuell werden Zeugen angehört und Ermittlungsaufträge der Staatsanwaltschaft bearbeitet. „Einen neuen Kenntnisstand gibt es allerdings noch nicht“, so Johannes Paus, Pressesprecher der Polizei Oberhausen. Besonders nach den tödlichen Unfällen bei der Loveparade in Duisburg ist eine schnelle rückhaltlose Aufklärung mehr denn je gefordert.

<h3>Holger Schuchardt</h3>

Holger Schuchardt