Serienproduktion

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von | 20. Januar 2023

Erfolg einer Serie ist nicht alles: Was für Streaming-Anbieter zählt, ist das Abo - nicht der Abonnent.

Serien sind das Tor in neue Welten und Geschichten, deren Handlungen in mehreren Staffeln erzählt werden, im Gegensatz zu Miniserien oder limitierten Serien, die von vornherein ein geplantes Ende haben. Dabei werden Serien immer häufiger vorzeitig beendet, bevor die Handlung vollständig erzählt wird. Dieser Umstand hängt dabei nicht mal zwangsläufig vom Erfolg einer Serie ab, wie das aktuelle Beispiel „1899“ vom „Dark“- Macher Baran bo Odar und Jantje Friese auf Netflix zeigt. Die Serie verbuchte in ihrer Startwoche in 57 Ländern eine Platz 1 Platzierungen in den Netflix Top 10. Trotzdem wurde die Serie nach der ersten Staffel abgesetzt – und damit ist sie kein Einzelfall.

Quelle: Instagram.com/baranboodar – Serienschöpfer Baran bo Odar von „1899“ gibt das vorzeitige Ende der Serie  auf Instagram bekannt.

 

Das Schiff geht unter – Das Schicksal von Serien Neustarts

Die Serie „1899″, in dem es um ein Auswandererschiff aus Europa geht, ist eine von vielen Serien, die kurz nach ihrem Neustart untergegangen ist. So traf es erst kürzlich am 8. Januar auch die Cartoon-Satire „Inside Job“ auf Netflix. Die Autorin Shion Takeuchi gab die Absetzung auf Twitter bekannt und sagte, sie hätte gerne ihre Geschichte weitererzählt, aber durch die Absetzung sei dieses leider nun nicht mehr möglich. Die Serie verbuchte ebenfalls gute Zuschauerzahlen.

Die Liste der abgesetzten Serien ist lang. Gerade Amazon Prime Video und Netflix sind Vorreiter beim frühen Aus von Serien. Aber warum schaffen es so viele Serien nicht über die erste Staffel hinaus?

Im Unterschied zum linearen Fernsehen müssen Streaming-Anbieter ihre Zahlen nicht öffentlich publizieren. Dadurch ist das Verstehen der Entscheidungen von Streaming-Anbietern deutlich schwieriger und undurchsichtiger für den Zuschauer. Allerdings ist ein Muster zu erkennen und Aussagen aus Interviews untermauern diese Vermutungen.

Beispiele für Serienabsetzungen nach Staffel 1

Die Faktoren

Ob eine Staffel erneuert wird, hängt dabei oft von verschiedenen Faktoren ab.

  • Einer der wichtigsten Faktoren für die Streaming-Dienste ist der Kosten-Zuschauer Faktor, wie die ehemalige Netflix-Vizepräsidentin für “Original Content” Cindy Holland auf der “Television Critics Association’s summer press tour” 2018 erklärte.
  • Danach sind die Zuschauer, die eine Serie innerhalb von 7 oder 28 Tagen vollständig geschaut haben, interessant. Die Dienste arbeiten sehr datenbasiert bei der Auswertung ihrer originalen Inhalte.
  • Wie stark die Fankultur einer Serie ist, ist nicht ausschlaggebend für eine Verlängerung, sondern wie viele Zuschauer die Serie neben den Fans anschauen. Die neuen Zuschauer entscheiden, was verlängert wird und was nicht. Das ist vor allem bei Serien der Fall, die bereits mehrere Staffeln laufen. Aus finanzieller Sicht ist es für die Streaming-Dienste deshalb auch einfacher, neue Serien zu starten, als zu hoffen, dass eine laufende Serie an neuen Zuschauern gewinnt. 

Begriffserklärung

 

Kosten-Zuschauer Faktor

Das Verhältnis von Kosten einer Produktion zu der Anzahl der erwarteten Zuschauer nach Veröffentlichung.

7-Tage-Regel

Zuschauer, die innerhalb der ersten Woche die komplette Staffel anschauen.

28-Tage-Regel

Zuschauer, die innerhalb eines Monats bzw. vier Wochen die komplette Staffel anschauen.

Salz, Pfeffer und mehr Zuschauer – In der Kürze liegt die (Ver)würze

Eine weitere Entwicklung, die im Serien-Markt stattfindet, ist der Wechsel zu kürzeren Staffeln. Hatten früher Staffeln durchschnittlich 20 Episoden, sind es heutzutage acht Episoden oder zwei mal acht Episoden in einer geteilten Staffel.

Für diese Entwicklung gibt es gute Gründe

  • Wie bereits erwähnt, werden Staffeln immer häufiger in zwei Hälften aufgeteilt – das sogenannte “zwei mal acht Episoden-Modell“. Dieses bietet einen großen Vorteil für die Streaming-Dienste. Sie können dadurch immer die Reißleine ziehen, sollte die erste Hälfte einer Staffel nicht das gewünschte Einspielergebnis erzielen. Ebenfalls verbessert es auch die Relevanz einer Serie, da mit dem Release der zweiten Hälfte die Serie das ganze Jahr über im Gespräch bleibt.
  • Ein Zuschauer lässt sich durch die kürzeren Staffeln besser ans Produkt binden. Sie schließen deutlich häufiger die ganze Staffel ab und die sogenannte 28-Tage-Regel erreicht häufiger ihr Ziel.
  • Auch ist es für die Streaming-Anbieter dadurch deutlich leichter, die Kosten für Besetzungen zu tragen , da die Schauspieler für weniger Episoden bezahlt werden. Es wird mehr Geld für den gewissen Pfeffer ausgegeben, sodass auch Star-Schauspieler für die Produktion herangeholt werden können. Diese bringen oft auch eine treue Fangemeinde mit sich.

Die verkürzte Laufzeit einer Staffel sorgt auch dafür, dass die Handlung mehr gerafft werden kann. Dadurch enthalten Staffeln weniger Folgen, die nicht Teil des Hauptplots sind. Dies erleichtert es dem Zuschauer, der Handlung besser zu folgen und sie zu verstehen. Allerdings profitieren nicht alle Serien davon, da sich ihre Handlung über mehrere Staffeln strecken. Dies kann beispielsweise bei der Serie „1899“ der Fall gewesen sein, die zwar ursprünglich für drei Staffeln geschrieben wurde, jedoch nach der ersten Staffel abgesetzt wurde. Dadurch bleiben ungelöste Konflikte und unbeantwortete Fragen beim Zuschauer zurück.

Das Geschäft mit neuen Serien – Ein kalkuliertes Spiel

Kürzere Staffeln und viele neue Serien sollen Nutzer anlocken. Dabei kalkulieren die Streaming-Dienste fest mit Zuschauern, die diese Dienste für die neuesten Serien abonnieren. Durch den gesättigten Streaming-Markt gibt es viele verschiedene Dienste, die um neue Zuschauer kämpfen.

Die häufigsten Gründe für Abokündigungen von Streaming-Diensten weltweit – Stand 2022

Quelle: GWI– Die häufigsten Gründe, warum ein Streaming-Abo beendet wird. Mit dabei mit 21 % “Lieblingsserie wurde abgesetzt” und „Ich habe nur für eine Serie mein Abo geholt“ mit 18 %.

Empfehlungen und Hypes um neue Serien können eine große Rolle spielen. Die Dienste setzen darauf, dass Nutzer auf Hypes um neue Serien reagieren und dadurch ein Abo abschließen, da sie sich bewusst sind, dass die Konkurrenz ebenfalls aktiv ist. Es ist viel schwerer einen Kunden zu halten, als neue Kunden im Streaming-Markt zu gewinnen , denn Nutzer verweilen nicht lange auf einer Plattform. Deshalb ist es wichtig für die Streaming-Dienste, Hypes zu erzeugen. Ein Frust der Nutzer bei einer Absetzung nach der ersten Staffel ist oft zu verzeichnen. Dieser Frust äußert sich durch Ankündigungen, den Dienst in Zukunft zu meiden oder eine Kündigung des Abos. Es hat sich aber gezeigt, dass die Nutzer auf die Plattform zurückkommen.

Kommentar des Autors

Serienfrust statt Serienlust

Ich habe keine Lust mehr auf Enttäuschungen“- ist der Tenor der Kommentare auf den sozialen Netzwerken zum Serienende von „1899“. Auch mir ergeht es wohl wie vielen Nutzern im Netz – Serien anschauen macht so keinen Spaß. Viele der Zuschauer hatten sich auf die komplexe Erzählweise der „Dark“-Schöpfer gefreut und rechneten fest mit einer zweiten Staffel. Dabei richtet sich die Kritik nicht an die Schöpfer, sondern direkt an Netflix und die anderen Streaming-Anbieter. Diese betreiben ein falsches Spiel mit den Nutzern, indem sie Serien direkt für mehrere Staffeln verlängern, um sie dann nachträglich einzustampfen. Mittlerweile bin ich an einem Punkt angekommen, an dem ich meinen Serienkonsum verändern will. Ich warte ab, bis die zweite Staffel raus ist, betrachte und entscheide dann, ob es meine Zeit wert ist, die ersten zwei Staffeln einer Serie anzuschauen.

Viele Personen in meinem Freundeskreis handeln ebenso oder haben komplett aufgehört, Serien zu schauen. Auch sie sind es leid, mit einem Cliffhanger im Regen stehen gelassen zu werden. Dabei sind wir mitverantwortlich für diese Entwicklung. Gerade in der Pandemie-Zeit haben wir oft Serien angeschaut, wie viele andere Millionen Menschen weltweit. Das führte dazu, dass der Serienkonsum anstieg und die Dienste gezwungen waren, mehr Content zu produzieren. Serien und das Streaming sind zu einem Massenprodukt in der Pandemie geworden und wir Nutzer sind daran schuld.

Es gibt mir ein schlechtes Gefühl, für diese Entwicklung mitverantwortlich zu sein. Denn die Nutzer wollen mehr Content und die Streaming-Dienste liefern diesen. Dieser richtet sich allerdings selten an Bestandskunden, sondern folgt einem Trend, bis die nächsten Nutzer am Haken hängen. So ist es also nur eine Frage der Zeit, bis die nächsten Massenprodukte der Serien-Schmieden aus dem Trend fallen und zur Schlachtbank geführt werden.

Denn nur Abos ergeben ein saftiges Steak für die Streaming-Dienste.

Mehr zum Thema: Streaming-Dienste

Ihr sucht weitere Informationen zum Thema Streaming-Dienste? Bereits in der Vergangenheit haben wir auf medienMITTWEIDA für euch über Streaming-Dienste berichtet.

  • Mehr zum Thema, wie klassisches Fernsehen durch VoD Konsum abgelöst wird, findet ihr hier von unserem ehemaligen Redakteur Clemens Müller.
  • Ein Interview zum Thema Konkurrenzkampf der Streaming-Dienste findet ihr hier von unserem ehemaligen Redakteur Leon Heyde.

Text und Grafiken: Maximilian May / Titelbild: Melissa Berthold

<h3>Maximilian May</h3>

Maximilian May

ist 29 Jahre alt und studiert derzeit im fünften Semester Medienmanagement an der Hochschule Mittweida. Bei medienMITTWEIDA engagiert er sich als Teil des Social-Media Team seit dem Wintersemester 2022.