New Learning ist ein weiterer Begriff im Dschungel der Lernkonzepte. Von festen und strukturierten Unterrichtseinheiten zu selbstgesteuerten Konzepten, bei denen jeder selbst entscheiden kann, was und wie er sich Inhalte beibringen möchte. Was für Vorteile bringt diese Art von Lernen mit sich und wo liegen die Probleme?
Was ist New Learning?
Das Lernkonzept New Learning rückt die Selbst- und Potenzialentfaltung, also die Bedürfnisse des Individuums, in den Fokus. Der Lernprozess wird durch die Möglichkeiten zur Selbstbestimmung geprägt. Zentrale Prinzipien sind hierbei (Wahl-)Freiheit, Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung sowie soziale Teilhabe bzw. Zugehörigkeit.
Das Konzept des New Learnings wurde in Anlehnung an Frithjof Bergmanns New-Work-Konzept entwickelt.
Frithjof Bergmann
Frithjof Bergmann war ein Philosoph und Anthropologe und wurde international bekannt als Begründer der New Work-Bewegung. Er wurde 1930 in Sachsen geboren, später wanderte er in die USA aus und verschrieb sein Leben der Philosophie. Sein Grundlagenwerk Neue Arbeit, Neue Kultur erschien 2004.
Der Fokus liegt dabei auf der Suche, der jeweiligen Berufung eines Menschen. Die Abhängigkeit von einem Job, der nur für die Deckung der Lebenshaltungskosten dient, soll reduziert werden.
Prof. Dr. Anja Schmitz, Professorin für Personalmanagement an der Hochschule Pforzheim und Jan Foesling, Learning und New Work Designer, sind Autoren des Buches „New Work braucht New Learning”. Im Interview mit Springer Professional, sagen sie Folgendes im Hinblick auf die Frage, warum dringend neue Ansätze für eine Learning Transformation gebraucht werden: „Die massiven Lern- und Qualifizierungsaufgaben, die vor Organisationen liegen, können nur bewältigt werden, wenn sich ein neues Verständnis von Lernen etabliert.”
Ein Einblick in verschiedene Methoden
New Learning bringt die verschiedensten Methoden und neuen Lernkonzepte mit sich.
(Wahl-)Freiheit, Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung spiegeln sich hierbei in den freien Entscheidungsmöglichkeiten des Lernenden wider. Wie, wann und was man erlernen will, ist jedem individuell überlassen, was der Selbstverwirklichung zugutekommt. Soziale Teilhabe und Zugehörigkeit wird zum Beispiel durch das Lernen in Gruppen erlangt.
Dabei kommen verschiedene Elemente zum Einsatz, wie Tools zum Erstellen von Mindmaps, das E-Learning mit Webinaren und Erklärvideos, sowie das Anhören von Podcasts. Für Mobile Learning mit Lern-Apps oder auch Microlearning, in Form von kleinen sechs-minütigen Lerneinheiten werden Smartphones benutzt.
Im Folgenden werden drei Konzepte näher beleuchtet:
E-Learning
Spätestens seit Corona ist E-Learning ein verbreitetes Konzept.
Laut der Georg-August-Universität Göttingen ist die Nutzung digitaler Medien für Lehr- und Lernzwecke sowie die Nutzung von verschiedenen Gerätetypen als E-Learning zu definieren. Durch dieses Konzept kann sich jeder in seiner eigenen Geschwindigkeit Wissen aneignen und dabei trotzdem noch ausreichend Zeit für die Anwendung finden.
Mobile Learning
Diese Methoden basiert darauf, dass fast jeder Mensch heutzutage ein mobiles Endgerät besitzt. Unterstützt wird dies zum Beispiel durch Lern- und Quiz-Apps. Hierbei wird auch auf Social Learning zurückgegriffen, da man in vielen Bereichen mit anderen Menschen im Austausch steht.
Microlearning
Wie der Name schon verrät, werden Lerninhalte hierbei in „kleine Häppchen” aufgeteilt. Eine Lerneinheit dauert dabei nur maximal 5 Minuten und kann auch in kleineren Pausen verinnerlicht oder wiederholt werden.
Das Zusammenspiel dieser Methoden kann individuell angepasst werden und unterstützt einander. So können E-Learning und Mobile Learning einhergehen und von Microlearning ergänzt werden. Zum Beispiel können Videos oder Lernapps die Inhalte in kleinen Häppchen anbieten, die jeder über ein Smartphone abrufen kann. Für viele Formen des New Learnings braucht es also bestimmte technische Voraussetzungen.
Die regelmäßige Anwendung dieser Methoden führt zu einer zunehmenden Reflexionsfähigkeit und unterstützt den Prozess des lebenslangen Lernens. Durch ständige Wiederholung eines ähnlichen Ablaufes werden Lernschleifen, also der Ablauf, in dem man seinen Lernprozess angeht, gebildet.
Auf medienMITTWEIDA wurde bereits Artikel zu den Thema Lernmethoden sowie der Umgang mit Lernstress verfasst.
Was hebt New Learning von der Masse ab?
Nach dem Buch „New Work braucht New Learning” von Jan Foelsing und Anja Schmitz ist die Hauptveränderung der Wechsel von der Fremd- zur Selbststeuerung. Feste und strukturierte Inhalte werden ersetzt durch selbstgesteuerte Lerneinheiten, die im Moment des Bedürfnisses frei zugänglich sind. Anstelle von Unterrichtseinheiten, wie Vorlesungen, die einen festen Termin, Ablauf und Inhalt haben, der durch die jeweilige Bildungsinstitution festgelegt wird, gibt es persönliche Lernziele, die man genau zu der Zeit abrufen kann, in der man das Bedürfnis fühlt dies zu tun. Zudem kann man seinen Interessen nachgehen und sich Inhalte aussuchen, die man vertiefen möchte.
Selbstgesteuertes Lernen
Die Lernenden überwachen ihre Lernprozesse selbst und nutzen hierzu verschiedene Reflexionsmethoden. Dabei liegt der Fokus besonders darauf, dass es nicht nur zu einer Zielerreichung kommt, sondern auch, dass diese sinnvoll gesetzt und wenn nötig angepasst werden.
Lernende sollen sich selbst Wissen aktiv beibringen und ihren Lernprozess steuern. Somit liegt die gesamte Verantwortung bei einem selbst. Hier sollte man nicht vergessen, um dies umsetzen zu können, muss man seine Fähigkeiten kennen. Lernbedürfnisse und die daraus resultierenden Lernziele müssen selbst identifiziert und definiert werden. Zudem muss überlegt werden, wie man am besten seine Lernziele erreichen kann. Dies setzt eine sichere Anwendung der Strategien voraus sowie die kritische Hinterfragung dieser.
Realitätscheck – Ist New Learning wirklich anwendbar?
Selbstgesteuertes Lernen bringt eine hohe Anforderung für Lernende mit sich. Meistens muss diese Art der Kompetenzen überhaupt erst erlernt werden. Laut „New Work braucht New Learning” fehlt es vielen an Wissen und Erfahrungen, wie man mit diesen Methoden umgeht und sie sinnvoll einsetzt.
Ein weiterer Punkt ist, dass New Learning auf individuelle Bedürfnisse ausgelegt ist. Meist wird der Lernprozess überhaupt erst begonnen, wenn das Thema den Lernenden interessiert. Themen werden erst verfolgt, wenn diese persönlich relevant sind, also wenn ein Bedürfnis geweckt wird. Dadurch erhalten die Themen, die für den Nutzer vielleicht weniger interessant, aber dennoch wichtig sind, weniger Aufmerksamkeit.
Zudem würde sich das gesamte Bild des Lehrenden verändern. Anstelle von reinem Frontalunterricht, in dem etwas nach festgelegter Struktur vermittelt wird, würde gemeinsam nach passenden Lernwegen und Lernzielen gesucht und reflektiert werden.
Auch kann die (technische) Ausstattung der Lehrräume zu Problemen führen. Laut einer Statistik der Robert Bosch Stiftung sehen 17 Prozent aller befragten Lehrkräfte die Digitalisierung immer noch als größte Herausforderung. Zudem gibt es bundesweit extrem große Unterschiede in der Digitalisierung des Bildungswesens. Nach der Statistik von INSM-Bildungsmonitor steht Bremen an erster Stelle und überbietet damit Brandenburg, das den letzten Platz belegt, um einiges.
Das Hagener Manifest, ein 2020 erstelltes Konzept der Fernuniversität Hagen, welches sich mit dem Thema Reformen schulischen Lernens und Unterricht mithilfe von New Learning beschäftigt, hat einige Forderungen an die Politik gestellt.
Unterstützer des Hagener Manifests wie Prof. Dr. Dieter Nittel oder Bob Blume sehen hierbei den richtigen Zeitpunkt, um die Bildung zu reformieren und das Potenzial von Technologien für eine digitale Gesellschaft und Umwelt zu fördern. Bund, Länder und Kommunen sollen vorausblickend zusammenarbeiten, um gemeinsam einen Weg zu schaffen. Die Bildungspolitik muss anhand von New Learning Methoden ihr Bildungssystem überarbeiten und weiterentwickeln. Wichtig ist dies vor allem, um den ständig steigenden Ansprüchen in der Arbeitswelt später einmal standhalten zu können, da man die Fähigkeiten zum lebenslangen Lernen erlernt.
Was bedeutet das für die Zukunft?
New Learning bedarf also viel menschlicher Erfahrung, um sich selbst einschätzen zu können. Zusätzlich braucht es den Willen, etwas an seinem Lernprozess zu ändern. Für Kinder und Menschen mit kognitiven Einschränkungen wird es da schon schwieriger, sich diesen Voraussetzungen anzupassen und sich Methoden anzueignen. Vor allem Menschen, die sich in ihrem Job und Umfeld ständig weiterbilden müssen oder wollen, könnten von dieser Methode profitieren. Zudem muss für die gute Umsetzung viel mitgebracht werden. Technik, kognitive Eigenschaften und Willenskraft sind nur einige dieser Dinge.
Für die erfolgreiche Umsetzung von New Learning müssen noch erhebliche Schritte gegangen werden. Es bedarf grundlegender Änderungen in der Bildungspolitik sowie in unserem Lernverhalten. Umgebungen zum Lernen müssten entsprechend angepasst werden. Hierbei müssen Räume mit passender Technik, wie funktionierenden Beamern oder elektronischen Tafeln ausgestattet werden, zudem müssen auch Plätze zum individuellen Lernen geschaffen werden.
Ein Ansatz wäre hier zum Beispiel, klassische Vorlesungseinheiten zu reduzieren, um damit Zeit für individualisiertes, selbstgesteuertes Lernen mit passenden Aufgaben und praktischen Simulationen zu schaffen. Frontalunterricht könnte reduziert und mehr auf die oben genannten Methoden ausgelegt werden.
Doch zugleich sollte man auch dieses Konzept mit Vorsicht genießen. Nur zu lernen, was und wann man will, bietet zwar viele positive Aspekte, könnte aber auch zu einer eher nischenhaften Bildung führen.
Text und Bild: Kira Lange