Julia Müller ist Studentin und Ehrenamtlerin. Ihr Ehrenamt ist jedoch auch ein 24-Stunden-Job: Sie arbeitet aktiv als Pflegestelle für den Auslandstierschutzverein ProDogRomania e.V. – das heißt, sie schenkt Hunden aus Rumänien ein Zuhause auf Zeit. Die Hunde wohnen bis zu ihrer Vermittlung mit in Julias Haushalt, in dem auch noch ihr Partner und zwei eigene Hunde leben. In einem schriftlichen Interview mit medienMITTWEIDA erklärt sie, wie sie Studium und Ehrenamt unter einen Hut bekommt und informiert über die Tätigkeit als Pflegestelle.
Frau Müller, was sind die Aufgaben einer Pflegestelle?
Julia Müller: Die Hauptaufgabe besteht darin, das Tier auf eine Vermittlung in einen deutschen Haushalt vorzubereiten. Das kann je nachdem, woher das Tier kommt und wie sein Charakter ist, mehr oder weniger aufwändig sein. Bei Straßenhunden steht so beispielsweise Stubenreinheit, Leinenführigkeit und die Gewöhnung ans Autofahren im Vordergrund. Manche Tiere hatten vorher kaum Kontakt zu Menschen und sind deswegen scheu, andere haben anderweitig seelische Narben, die Zeit zum Heilen brauchen.
Nicht alle Tiere sind in einem gesundheitlich gutem Zustand, also stehen auch Tierarztbesuche und gegebenenfalls Termine bei einer Physiotherapie mit auf dem Programm. Auch müssen einfache, medizinische Anwendungen wie die Entwurmung oder Medikamentengabe durchgeführt werden. Wenn das Tier den Punkt erreicht hat, an dem man es mit gutem Gewissen vermitteln kann, ist es in unserem Tierschutzverein Aufgabe der Pflegestelle, die Vermittlung zu leiten. Hierzu gehören das Bereitstellen ansprechender Fotos, das Annoncieren in seriösen Portalen, lokalen Tierheimen oder Zeitungen. Schließlich kommen dann auch noch Telefonate und Treffen mit Interessenten sowie die Auswahl und Vermittlung in das endgültige Zuhause hinzu.
Pflegestelle für ein deutsches Tierheim
Pflegestellen von deutschen Tierheimen haben meist andere Aufgaben und Pflichten, als Pflegestellen von Vereinen im Auslandstierschutz. Von deutschen Tierheimen werden oft Pflegestellen gesucht, die Hunde oder Katzen aufnehmen, die schlecht mit dem Tierheimleben zurechtkommen. Weiterhin werden oft Gnadenplätze für alte oder kranke Tiere gesucht. Diese Tiere haben meist keine hohe Lebenserwartung mehr. Auch für mutterlose Katzenbabys werden von Frühjahr bis Herbst Pflegestellen gesucht. Nachdem die Pflegestelle das Tier aufgepäppelt hat, wird es über und von dem Tierschutzverein vermittelt.
Welche Voraussetzungen sollte eine Pflegestelle mitbringen?
Müller: Ich finde, dass Hundeerfahrung sehr wichtig ist. Viele Hunde kommen mit einer eher unschönen Vorgeschichte an – da sollte man schon eine gewisse Sicherheit vermitteln können. Man darf nicht zu emotional oder nah am Wasser gebaut sein, das würde den Hunden und der Gesamtsituation überhaupt nicht weiterhelfen. Gerade wenn die Tiere aus dem Ausland kommen, weiß man nie, in welchem Zustand sie hier ankommen. Da sollte man im Notfall schon einiges verkraften können und sich nicht ekeln.
Man sollte sich auch immer vor Augen halten, dass der Zweck einer Pflegestelle ist, dass das Tier wieder weitergegeben wird. Wer dazu neigt, schnell enge und emotionale Bindungen zu Tieren einzugehen, ist daher eher weniger geeignet. Eine Berufstätigkeit schließt eine Tätigkeit als Pflegestelle per se nicht aus, da der Hund sowieso aus einem Umfeld kommt, in dem er nicht 24 Stunden am Tag von Menschen umgeben war. Man sollte aber trotzdem eine ausreichende Betreuung der Hunde sicherstellen können – vor allem in der Anfangszeit. Ich hatte dafür eine mobile Hundebetreuung, die zu mir nach Hause kam, wenn ich länger nicht da war.
Ganz wichtig – und leider oft mangelhaft – ist ausreichende Empathie und Kontaktfreudigkeit zu Menschen. Tierliebe alleine reicht nicht aus, man muss auch viel mit anderen, vor allem fremden Menschen, interagieren. Egal ob es Vereinsmitglieder, Betreuer oder Interessenten sind – ein breites soziales Netz hilft zudem bei der Vermittlung.
Hier wird die Veränderung jedes einzelnen Hundes verbildlicht, nachdem er nach Deutschland auf eine Pflegestelle reisen durfte. Fotos: Jennifer Backert, Susan Burdack & Sandra Engel
Wie wird man Pflegestelle?
Müller: Man bewirbt sich bei der entsprechenden Tierschutzorganisation. Dann folgt ein ausführliches Vorgespräch mit allen Informationen zur Pflegestellentätigkeit sowie zu vereinsinternen Abläufen und Gepflogenheiten. Daraufhin erfolgt eine Vorkontrolle der eigenen Wohn- und Lebensverhältnisse durch die Organisation. Zum Schluss wird seitens des Vereins entschieden, ob und welches Tier zu einem kommen darf.
Rechtliche Aspekte
Vor der Aufnahme des Hundes auf Pflegestelle, wird ein Pflegestellenvertrag abgeschlossen. Darin verpflichtet man sich, das Tier bis zur Vermittlung unentgeltlich zu versorgen. Der Pflegehund ist über den Tierschutzverein haftpflichtversichert. Dabei kommt die Versicherung nur bei Schäden am Eigentum von Dritten zum Einsatz. Weitere Regeln und Pflichten der Pflegestelle im Umgang mit dem Pflegehund sind im Pflegestellenvertrag niedergeschrieben.
Ist es eine ehrenamtliche Tätigkeit, die neben dem Studium machbar ist?
Müller: Ich war zu Beginn der Pflegestellentätigkeit selbst Vollzeit berufstätig und bin erst später ins Studium gewechselt. Ehrlich gesagt finde ich es im Studium wesentlich einfacher, da ich mehr Zeit habe und flexibler bin. Ich bin allerdings auch die gesamte Zeit mobil mit einem eigenen Auto und lebe in einer eigenen Wohnung. Ohne PKW stelle ich mir die Tätigkeit allgemein schwieriger vor, da die Abholpunkte der Hunde meist immens weit weg sind und es eben auch passieren kann, dass man anfangs häufiger zum Tierarzt muss.
Auch das Leben in einer WG kann durch einen Auslandshund beeinträchtigt werden, daher sollten alle Mitbewohner damit einverstanden sein. Den finanziellen Aspekt darf man auch nicht außer Acht lassen. Nicht alle Kosten werden vom Verein oder den Paten übernommen. Für Fahrtkosten, Hundezubehör, Hundesteuer und Futterkosten ist die Pflegestelle selbst verantwortlich. Tierarztkosten werden meist vom Tierschutzverein gedeckt oder müssen nur anteilig bezahlt werden. Medizinische Kosten, die nicht unmittelbar notwendig sind, sondern nur vorteilhaft für den Hund, trägt die Pflegestelle selbst, ebenso Kosten für eine Hundeschule.
Strambu und Rudi sind beides Pflegehunde von Julia Müller. Rudi, der kleinere von beiden, hat mittlerweile sein Zuhause für immer gefunden. Foto: Jessica Junker
Woran erkennt man einen seriösen Tierschutzverein?
Müller: Alle Vereine betreiben eine Webseite. Einen seriösen Verein erkennt man in erster Linie am vorhandenen und vollständigen Impressum. Mir war bei der Auswahl wichtig, dass der Verein nicht nur Hunde nach Deutschland vermittelt, sondern auch vor Ort aktiv ist, um den dort lebenden Hunden das Leben besser zu gestalten. Auch Transparenz ist wichtig: Als Vereinsmitglied erhalte ich beispielsweise auch die Möglichkeit, bei der Mitgliederversammlung Einblick in die Einnahmen und Ausgaben des Vereins zu bekommen. Es sollte auch offensichtlich sein, wohin Spenden gehen und was mit ihnen gemacht wird. Ein persönliches Informationsgespräch und eine Vorkontrolle zeichnen auch die Qualität eines Tierschutzvereins aus.
Auf was muss man sich gefasst machen, wenn ein Pflegehund einzieht?
Müller: Man bekommt nie das, was man erwartet! Zwar hat man Bilder, Videos und eine Beschreibung vom Hund, aber bei mir sah bisher jeder Hund anders aus. Auch die Einschätzung des Charakters ist sehr subjektiv. Die Einen finden einen Hund vielleicht selbstbewusst, die Anderen würden ihn eher als distanzlos und anmaßend beschreiben. Man sollte daher offen sein und den Hund nicht schon im Vorfeld in ein erwartetes Muster zwängen. Größe und Alter sind meistens nur sehr grob geschätzt. Es ist auf jeden Fall keine böse Absicht von den Leuten, die die Erfassung im rumänischen Zwinger durchführen. Im Gewusel von bis zu zehn Hunden ist es nicht die einfachste Aufgabe, richtig zu schätzen.
Wir haben auch einen Pflegehund hier, der laut Erfassung fünf Jahre alt und 40 Zentimeter hoch sein soll. Knapp verschätzt: Er ist mindestens neun Jahre alt und 55 Zentimeter groß. Uns stört es nicht, jedoch muss man sich darauf gefasst machen. Für einige Menschen ist ein Hund ab einer gewissen Größe auch einfach nicht mehr integrierbar in ihr eigenes Leben. Krankheiten werden nach bestem Wissen und Gewissen vorher mitgeteilt und beschrieben. Aber nicht jeder Hund lässt sich ins Maul schauen und manche Dinge fallen im Zwinger vor Ort einfach nicht auf. Es kann da schon auch vorkommen, dass der Hund vereiterte Zähne, eine Futterunverträglichkeit oder ein Herzgeräusch hat.
Ich mag es nicht, wenn dann hinterher in Deutschland behauptet wird, der Verein wollte einem einen kranken Hund unterjubeln. Wer sich wundert, warum keine umfassenderen Informationen zum Hund bereitgestellt werden können, dem empfehle ich dringend, einen der Hilfseinsätze vor Ort mit zu begleiten, auf denen auch die Hunde für die Vermittlung erfasst werden. Die allermeisten Hunde aus dem Ausland sind – entgegen ihres Rufes – einfach nur toll! Sie haben ein gutes Sozialverhalten, lieben den Menschen, sind extrem dankbar und anhänglich.
Ehrenamtliche Alternativen im Tierschutz
Weitere Alternativen für ehrenamtliche Tätigkeiten im Tierschutz sind:
- Futterboxen in Supermärkten regelmäßig leeren und ins Tierheim bringen
- Gassigänge mit Tierheimhunden
- Helfende Hände im Tierheim sind bei der Reinigung und bei Veranstaltungen immer gern gesehen
- Tierheimkatzen Zeit schenken
- Vor- und Nachkontrollen für zu vermittelnde Tiere
Text: Michelle Kayser, Titelbild: Jessica Junker, Fotos: Jessica Junker, Jennifer Backert, Susan Burdack & Sandra Engel