„Valar Morghulis.“

von | 26. Juli 2018

Serien-Revolution oder Massenabklatsch – Können Drachen, Gewalt und Intrigen immer noch begeistern?

Game of Thrones

„Valar Morghulis.“

von | 26. Juli 2018

Macht und Moral – In Game of Thrones richtet das Schwert oft über mehr als Leben und Tod. Foto:Lena von Heydebreck

In der Ferne ist das Läuten einer Glocke zu hören. Die Minuten verstreichen. Niemand sagt etwas. Sanft treibende Klavierklänge bauen Spannung auf. Eine unerwartete Veränderung wird angekündigt und in pompöser Manier vollendet. Mit unscheinbaren filmischen Mitteln wird hier aus einer langweilig klingenden Szene ein Meisterwerk aus Spannung und Emotion. – Willkommen in der Welt von Game of Thrones.

Die Fantasy-Serie Game of Thrones von David Benioff und D. B. Weiss bricht aktuell mit 22 Nominierungen erneut Rekorde der Primetime Emmy Awards, die am 17. September 2018 zum 70. Mal stattfinden. Auch nach sieben erschienenen Staffeln scheint der Erfolg der Serie nicht abzunehmen. Mit über zehn Millionen Zuschauern zu Beginn der siebten Staffel in den USA haben sich die Einschaltquoten seit der ersten Staffel vervierfacht. Basierend auf den Büchern „A Song of Ice and Fire“ von George R. R. Martin ist ein komplexes Drama entstanden. Eine ungewohnt große Flut an Figuren und nebeneinander laufenden Handlungssträngen, die sich stetig kreuzen, ziehen den Zuschauer in den Bann einer mittelalterlichen Fantasy-Welt. Politik, Religion und Gesellschaftsverhältnisse sind zentrale Themen, die spannend verpackt das Herzstück der Serie bilden. Unterschiedliche Familien, wie die Starks, Lannisters und Targaryens, knüpfen Verbindungen und spinnen Intrigen, um an Macht zu gelangen und den Eisernen Thron zu erobern. Dabei vereint die Serie Historie und Zukunft in einem mittelalterlichen Epos. Starke Frauenbilder dominieren die Leinwand und bringen, ohne dabei auf Rückschläge und Tiefpunkte zu verzichten, einen Hauch Gegenwart in die historische Umgebung der Serie.

„A minute, an hour, a month. Death is certain. The time is not.”

Der Tod lieb gewonnener Figuren gehört zu vielen Serien mit fortlaufender Staffelzahl dazu. Doch George R. R. Martin schockt in Game of Thrones regelmäßig mit dem unerwarteten Tod tragender Charaktere. Spätestens mit der „roten Hochzeit“ hat er bewiesen, dass er keine Skrupel hat, den Zuschauern mit allen Mitteln Emotionen wie Wut, Trauer und Entsetzen zu entlocken. Dennoch könnte man meinen, die damit verbundene Einführung neuer Charaktere verwehrt dem Zuschauer, eine Bindung zur Geschichte aufzubauen. Doch die fiktiven Figuren sind stets vielschichtig konstruiert und fesseln den Zuschauer. Sie formen sich durch Moral, Konflikte und Zwiespälte, die das Leben mit sich bringt und bieten dem Zuschauer die Möglichkeit sich in ihnen wiederzufinden. Der Einblick in die sonst geheimen Gefühle und Beweggründe der Figuren lässt die Grenze zwischen guten und bösen Charakteren verschwimmen. So wandelte sich Jaime Lannister (Nicolaj Coster-Waldau) für viele vom arroganten Schönling zum beliebten Antihelden und selbst die machtbesessene, skrupellose Cersei Lannister (Lena Headey) ist letztlich auch nur eine Mutter, Tochter und Geliebte, die alles daran setzt ihre Kinder zu beschützen und wertgeschätzt zu werden.

Genau hier zeigt sich einer der Brillanten der Serie: das Storytelling. Die Macher der Serie schaffen es nicht nur vielschichtige Figuren zu schreiben, sondern diese durch komplexes, abwechslungsreiches Storytelling zu emotionalisieren. Durch das Brechen von konventioneller Filmsprache, werden die Emotionen und Erwartungen des Zuschauers gelenkt und getäuscht. Dabei kann auch die Musik eine tragende Rolle spielen. Transportierte Stimmungen oder wiedererkennbare Themen bauen eine bestimmte Erwartung auf, die dann durch einen anderen Ausgang durchbrochen wird. Auch bei erneutem Sehen zeigt sich die Kunst des Erzählens. Kleine Hinweise und Symbole, welche die unvorhersehbare Handlung ankündigen, werden sichtbar und zeigen, wie durchdacht gearbeitet wurde. So kann eine nebenher erzählte Sage, ein wissendes Lächeln oder der Tod eines Tieres, welches das Wappen eines Hauses darstellt, die zukünftige Handlung vorhersagen. Hierbei sei angemerkt, dass auch die besten Figuren und Handlungen nicht überzeugen können, wenn ihnen nicht von talentierten Schauspielern Leben eingehaucht wird. Der Cast von Game of Thrones wird dem vollends gerecht und hat unter anderem mit Maisie Williams (Arya Stark) und Sophie Turner (Sansa Stark) exzellente Jungschauspielerinnen hervorgebracht. Dennoch hat die Serie auch ihre Schattenseiten. Im Bereich der Konzeption findet sich der wahrscheinlich einzig relevante Kritikpunkt: Die Veränderung in ihrem bewährten Konzept des Storytellings.

Bis zur sechsten Staffel hielten sich die Serienmacher noch nah an die Buchvorlage. Da diese allerdings noch immer nicht komplett erschienen ist, haben sie beschlossen ab der siebten Staffel ihren eigenen Weg zum Ziel zu suchen. Plötzlich wirkt die Handlung vorhersehbarer und konventioneller. Die gewohnte Verletzbarkeit der Hauptpersonen weicht einem unsterblichen Heldenkonstrukt. Außerdem ist das sonst gemäßigte Tempo, das Raum für Charakterentwicklung und tiefgründige Dialoge lässt, einer nicht nachvollziehbaren Geschwindigkeit gewichen.  Wenn innerhalb weniger Minuten ein Mann nördlich der Mauer eine Nachricht persönlich zur Mauer bringt, mit einem Raben quer über den Kontinent schickt, die Nachricht empfangen wird und daraufhin der Empfänger der Nachricht nördlich der Mauer auftaucht, fragt man sich doch, was die Serienmacher mit dieser Eile bezwecken wollen. Ob die Veränderung eine Anpassung an die Erwartungen der Zuschauermassen sein soll, denen dialoglastige Folgen zu langatmig waren, bleibt im Dunkeln. Schade ist es allemal, dass das bewährte Konzept zum Ende einem überladenen, vorhersehbareren Erzählmuster zu weichen scheint.

Starke Bilder sprechen für sich

Dennoch kann die Serie auch noch mit einem anderen Aspekt punkten – ihre unvergleichliche Machart. Bei Kosten von aktuell 15 Millionen Dollar pro Folge zählt Game of Thrones zu den teuersten Serien überhaupt. Das Zusammenspiel von hervorragender Konzeption und erstklassiger technischer Umsetzung lässt die Serie auf vielen Ebenen überzeugen. Prachtvolle Sets, Makeup und Kostüme fügen sich mit szenisch exzellenter Regie- und Kameraarbeit zu einem visuell beeindruckenden Gesamtpaket und bringen Westeros und Essos zum Leben. Selbst das einzige technische Manko, die visuellen Effekte (VFX), konnte im Laufe der Staffeln behoben werden. Zu Beginn der Serie war das Zusammenspiel der atemberaubenden Drachen und den realen Schauspielern noch ein wenig holprig. Sobald man beide in direkten Kontakt gestellt hat, sah man Drogon, Viserion und Rhaegal ihre Unechtheit an. Dennoch gehört das VFX-Team der Serie zu den besten weltweit und spätestens ab der siebten Staffel ist der Übergang zwischen Animation und Realität nahtlos – eine gelungene Entwicklung und Bereicherung, um vollends in die Welt der Starks, Lannisters und Targaryens einzutauchen.

Insgesamt findet man in Game of Thrones eine Serie, die definitiv die Serienwelt bereichert und geprägt hat, auch wenn sie in der siebten Staffel ihre gewohnten Konventionen zu brechen schien. Die Produktion der achten und letzten Staffel läuft seit Herbst 2017. Ausgestrahlt wird sie zeitgleich zum US-Start 2019 auf Sky. Ein genauer Termin ist noch nicht bekannt. HBO gab aber bekannt, dass die Staffel nur sechs Folgen haben wird, die gerüchteweise länger sein könnten als bisher gewohnt. Welche Überraschungen die finale Staffel, außer der wohl größten Schlacht der Serie, zu bieten hat, wird sich zeigen. So viel ist sicher: Spannung und Emotionen bis zur letzten Sekunde.

Text, Foto: Lena von Heydebreck

<h3>Lena von Heydebreck</h3>

Lena von Heydebreck

studiert im sechsten Semester Medienmanagement an der Hochschule Mittweida und ist Chefredakteurin bei MedienMITTWEIDA. Zudem betreut sie die monatlich wiederkehrende Couchkritik und ist in der Studienrichtung Production spezialisiert. Ihre Leidenschaft für Film und Fernsehen kann sie so auch auf journalistische Weise ausleben.