Selbstliebe
„Wie läufst du eigentlich rum?“
Schminkutensilien sind ein wichtiger Bestandteil in Andrés Leben. Titelbild: Free-photos, Cc0
André aus Hof fällt auf: extralange Wimpern, Highlighter auf den Wangenknochen, oft in hohen Schuhen und Röcken unterwegs. Obwohl das eigentlich seine Entscheidung sein sollte, bekommt er von vielen Leuten ungefragt ihre Meinung gesagt. Auch wenn man ihm das von außen nicht ansieht, hat das Auswirkungen.
Wie würdest du deinen Stil beschreiben?
Verrückt. Und auffällig.
Was ziehst du gern an?
Das ist unterschiedlich. Es kommt immer spontan drauf an, wenn ich früh aufstehe … Es gibt Tage, da fühle ich mich weiblicher und Tage, da fühle ich mich männlicher. Manchmal gehe ich in Jogginghose oder ganz normal in Hose und Hemd in die Schule. Es gibt aber auch Tage, da gehe ich in Leggings, in Frauenbodys, in Blusen.
Beim Feiern war ich früher nur ab und zu weiblich unterwegs, aber jetzt fast nur noch mit Röcken, Strumpfhosen, Blusen und geschminkt.
Wie würdest du dich als Person beschreiben?
Ich würde mich beschreiben als einerseits schüchtern und zurückhaltend, aber irgendwie auch extrovertiert durch mein Äußeres.
Wie hat sich das entwickelt?
Mein Bruder und ich haben früher immer Germanys Next Topmodel geschaut, und wir waren schon immer beide davon fasziniert. Wir haben immer aus Scheiß gesagt: „Einmal in meinem Leben Schuhe, die mir passen, und auf hohen Absätzen stehen.“ Das war schon immer so ein Traum für uns. Und vor etwa drei Jahren hab ich mir heimlich welche bestellt, einfach nur, weil ich drin stehen wollte und einfach mal das Gefühl haben wollte, wie das ist. Am Anfang hab ich die noch unter dem Bett versteckt, nur damit ich die einmal anziehen konnte. Irgendwann habe ich dann gesagt, wenn du sie eh schon zuhause hast, dann kannst du sie auch anziehen. Dann hab ich sie damals heimlich mitgenommen in meiner Tasche und habe mich dann im Bahnhof in Hof noch umgezogen, weil meine Eltern das nicht sehen durften. Und dann bin ich das erste Mal mit Absätzen weggegangen.
Was sagen deine Eltern dazu?
Also, die sind eigentlich nicht so begeistert davon. Die sagen jetzt nicht, na doch, eigentlich sagen sie schon: „Wie läufst du rum?“ Aber sie können halt in dem Sinne nichts mehr machen. Meine Mama hat mir früher schon immer eingeredet, ich muss selbstbewusst sein, und das ist das Wichtigste im Leben. Und damit kontere ich jetzt immer. So wie ich mich wohlfühle, so geh ich auch aus dem Haus.
Gibt es noch andere Leute, die Kommentare bringen?
Ja, häufig. Also gerade beim Feiern, da kommen ganz offenherzig die Mädels meistens auf mich zu. Da gibt’s ganz, ganz wenige, die mal einen blöden Kommentar machen. Aber von den Männern hörst du schon immer was. Wenn du da vorbei läufst, dann siehst du schon, wie sie dich anschauen und dann sagen: „Öh, Schwuchtel, blablabla…“ Du hörst schon im Hintergrund immer die Kommentare, aber das motiviert mich eher, dann noch einen mehr als drauf zu setzen. Da gebe ich nichts drauf. Also klar gibt’s auch Tage, wo du dann denkst so, hm naja, damit kannst du vielleicht nicht unbedingt so umgehen. Aber es sind nur ein paar Tage und irgendwann denke ich mir so „Nö, dann erst recht.“
Denkst du, viele Menschen lieben sich selbst?
Ich denke, dass tatsächlich mehr Menschen ein Problem haben, als man eigentlich vermutet. Ich denke, jeder hat irgendwas, was er an sich überhaupt nicht schön findet und ist mit sich viel zu selbstkritisch.
Was ist denn für dich überhaupt Selbstliebe?
Das ist, wenn man einfach mit sich im Reinen ist und man durch die Straßen gehen kann und sich keine Gedanken machen muss, was denken die Leute jetzt von mir, wie ich rumlaufe. Und einfach sein Ding machen, wie man es gerade für richtig hält und man das einfach so durchzieht.
Würdest du sagen, dass du dich selbst liebst?
Eigentlich absolut gar nicht. Nee, ich hab da echt Probleme. Mich selbst so zu akzeptieren, ist mir schon immer schwergefallen, und ich hab das eigentlich auch selbst noch nie, weil mir immer eingeredet wird, dass es was Falsches ist, wer ich bin und was ich mach. Ich bin mit mir selbst noch nicht so im Reinen. Ich fühle mich zwar selbstbewusst und nutze irgendwie mein Äußeres, also die Kleidung und die Schminke als Schutzschild. Dann bin ich eine andere Person. Aber so mich selbst habe ich irgendwie noch nicht akzeptiert.
Text und Fotos: Elisa Matthey, Titelbild: Free-photos, CC0