Nicht nur Studierende kennen die Situation vor einer Prüfung: Aufregung, schwitzige Hände oder erhöhter Puls. Doch was tun, wenn sich diese leichte Anspannung zu wirklicher Angst entwickelt und die Betroffenen daran hindert, ihre Prüfungen erfolgreich zu bestehen?
Die Angst zu bestehen
“Prüfungsangst ist die Furcht und Anspannung vor Prüfungssituationen“, so Pia Kindermann, psychosoziale Beraterin des Studentenwerks Freiberg. So sei eine gewisse Aufregung vor Prüfungssituationen ganz normal und nützlich, um sich besser konzentrieren und das eigene Leistungsvermögen steigern zu können. Nimmt diese jedoch Überhand, spricht man von einer Prüfungsangst. In der Prüfungssituation selbst oder auch schon davor, kommt es durch die Ausschüttung von Hormonen zu körperlichen Angst- und Stresssymptomen wie Herzrasen, Übelkeit, Durchfall, Schwitzen und Atemnot. Diese Symptome können laut Pia Kindermann zu einem sogenannten Blackout führen, also der temporären Unfähigkeit, gelerntes Wissen abzurufen und wiedergeben zu können. Aber auch während der Prüfungsvorbereitung ist bei akutem Stress die Aufnahme des Lernstoffs oft erschwert oder sogar unmöglich.
Das Gefühls-ABC
Prüfungsangst entsteht im Kopf und hängt von der persönlichen Erfolgsbewertung der Situation ab. Dabei führt nicht die eigentliche Prüfungssituation zu Stress und den damit verbundenen Symptomen, sondern die eigene individuelle Bewertung des Erfolgs dieser Situation. Bei diesem Modell genannt „ABC der Gefühle“ steht A für die Situation an sich, B für die Bewertung dieser Situation und C für die emotionale Konsequenz, also die eigene Reaktion auf die Situation. Somit kann dieselbe Situation A, wie das Schreiben einer Prüfung, aus zwei verschiedenen Perspektiven ganz unterschiedlich bewertet werden. Die Bewertung B kann also positiv oder negativ ausfallen, wobei die Konsequenz C bei einer Bewertung, wie „ich schaffe das“, relative Sicherheit und Zuversicht ist. Bei einer negativen Bewertung, wie „ich falle bestimmt eh durch“, sind die Reaktionen jedoch Angst, Nervosität und Anspannung. Somit hängt also die eigene Konsequenz nicht unbedingt von der Situation ab, sondern vielmehr von der individuellen Beurteilung dieser. Wie schaffe ich es also, dass die Beurteilung positiv ausfällt und die emotionalen Konsequenzen erfolgsfördernd sind?
Hilfe zur Selbsthilfe
Um mit Prüfungsangst erfolgreich umgehen zu können, sind folgende Ratschläge zu beachten: Zunächst ist eine gründliche Vorbereitung Grundlage jedes Bestehens. Denn nur wer ordentlich lernt, hat auch später die Chance sein Wissen anzuwenden. Dabei kann ein gutes Zeitmanagement von Vorteil sein. Weiterhin ist es hilfreich der Angst rationale Argumente entgegen zu setzen. Meistens sind die Auswirkungen eines Fehlversuchs nicht so gravierend bzw. haben nichts mit dem persönlichen Wert zu tun. Dabei ist es nützlich, sich an frühere Prüfungen zu erinnern, die man trotz vorherigem Zweifeln letztendlich doch bestanden hat. Des Weiteren kann es aufbauend sein, sich nicht nur das schlimmste Szenario vorzustellen, sondern lieber vom Erfolg auszugehen. Denn dies kann zusätzlich motivierend wirken und stärkt das Selbstbewusstsein. Weiterhin ist es förderlich, für Entspannung zu sorgen. Denn der Stresspegel wird durch Sport oder Entspannungstechniken wie Yoga, Progressive Muskelentspannung oder Autogenes Training gesenkt und die innere Balance wird bewahrt. Auch die aktive Suche nach Unterstützung beim Lernen kann von Nutzen sein. Dabei können soziale Kontakte gepflegt und Ängste ausgetauscht werden. Bei Bedarf sollte man unbedingt professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.
Fünf Akuttipps gegen Prüfungsangst
- Kurz innehalten – fokussieren
- Prioritäten setzen – mit dem Leichtesten beginnen
- Aufmerksamkeit steuern – an etwas Schönes denken
- Stress wegatmen – tiefe, langsame Atemzüge
- Muskeln entspannen – Konzentration auf eigenen Körper
Hilfe annehmen
Laut einer Umfrage des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hat jeder vierte Studierende mit mehr oder minder schwerer Prüfungsangst zu kämpfen. Jedoch sei die Zahl derjenigen, die mit reiner Prüfungsangst zu ihr kommen, relativ gering, verrät Melanie Kilger, Mitarbeiterin der Sozialkontaktstelle der Hochschule Mittweida. Dies liegt vor allem daran, dass sich viele Betroffene nicht trauen, professionelle Hilfe anzunehmen. Jedoch kann bei einer ärztlich diagnostizierten Prüfungsangst ein Nachteilsausgleich beantragt werden, welcher den Studierenden ermöglicht, nachteilige Auswirkungen der Leistungsstörung durch unterschiedliche Maßnahmen wieder auszugleichen. Somit kommt es bei Konzentrationsschwierigkeiten beispielsweise zu Verlängerung der Schreibzeit oder bei erhöhtem Harndrang zum Absolvieren der Prüfung in einem separaten Raum. Es wird jedoch jeder Fall individuell betrachtet und je nach Beeinträchtigung entschieden, welche Maßnahme im Rahmen des Nachteilsausgleichs am besten passt.