Schlecky Silberstein

Muss das Internet weg?

von | 17. Januar 2020

Schlecky Silberstein über die Bedeutung von Datenkapitalismus und Filterblasen für die Demokratie.

Schlecky Silberstein ist der Mann hinter dem Satire-Format Bohemian Browser Ballett und Autor des Buches „Das Internet muss weg”. Auf dem Medienforum Mittweida 2019 sprach er über Datenschutz, Datenkapitalismus und deren Bedeutung für die Demokratie.

Was sagst du zu Leuten, die beim Thema Datenschutz nur erwidern, dass sie nichts zu verbergen hätten? 

Schlecky Silberstein: Ich verstehe, dass diese Person nichts zu verstecken hat und ich verstehe auch, dass die Leute nicht die direkten Konsequenzen am eigenen Leib spüren. Aber nichtsdestotrotz nimmt jeder, der in einer vernetzten Gesellschaft mitmacht, auch an einem Menschenexperiment teil, über das die Leute, die die Inhaber der Daten sind, am Ende statistische Massen steuern können. Es ist also egal, ob man etwas zu verbergen hat oder nicht. Man nimmt automatisch am Datenkapitalismus teil. 

Du hast dir bei Facebook einen virtuellen Rechtsradikalen gezüchtet. Warum hast du das gemacht?  

Ich habe mir den Marcel gezüchtet. Er ist dadurch entstanden, dass ich ein Facebook-Profil erstellt habe, das ausschließlich rechte Inhalte gelikt hat. Ich wollte wissen, was Menschen jenseits meiner Filterblase zu verschiedenen Events denken. Nach den Vorfällen in Chemnitz habe ich mich gefragt: Ist das eine Tragödie oder werden die Vorfälle auf der anderen Seite gefeiert? Jeder hat seine individuelle Öffentlichkeit, weil Newsfeeds kuratiert werden. Aber ich finde es sehr spannend, zu wissen, worüber auch alle anderen reden. Jeder glaubt, dass wir alle die gleiche Realität sehen, aber das stimmt einfach nicht. 

Schlecky Silberstein

Christian Maria Brandes, der unter seinem Künstlernamen Schlecky Silberstein bekannt ist, ist ein deutscher Autor, Schauspieler und Blogger. Er betreibt das Online-Satire-Format Bohemian Browser Ballett und hat 2018 das Buch „Das Internet muss weg” veröffentlicht.

Die Gesellschaft für digitale Ethik, deren Mitbegründer du ja bist, fordert ein grundlegendes Social-Media-Verbot für Politikerinnen und Politiker. Warum?

Facebook hat im Oktober 2019 bekannt gegeben, keine Werbung von Politikerinnen oder Politikern sowie deren Wahlkampfteams auf Fakten zu überprüfen. Daraufhin hat Twitter beschlossen, dass sie ab dem 22. November 2019 politische Werbung mit Ausnahmen verbieten wollen. Wie bewertest du die beiden Entscheidungen? 

Ich finde aus PR-Perspektive klug, was Twitter, und unklug, was Facebook gemacht hat. Da würde mich mal interessieren, wie das konkret passiert. Für mich wäre es eine konkrete Maßnahme, dass Algorithmen alle Beiträge automatisch auslesen und über eine semantische Analyse feststellen, was politische Kommunikation ist und was nicht. Wenn das automatisch geblockt wird, dann würde ich sagen, das greift. Aber das passiert nicht und deswegen gibt es da unzählige Schlupflöcher. 

Nach dem Skandal um Facebook und Cambridge Analytica, bei dem Facebook-Nutzerdaten genutzt wurden, um beispielsweise unentschlossene Personen wie bei den letzten Präsidentschaftswahlen in den USA zu beeinflussen – welche Gefahr stellt unregulierte politische Werbung in sozialen Netzwerken für die Demokratie dar?

Wen siehst du in der Verantwortung, die Probleme, die in sozialen Netzwerken aufkeimen, zu bekämpfen? Die Plattformbetreibenden oder die Staaten? 

Die Plattformen machen ja erstmal juristisch gesehen nichts falsch, sondern sie machen ethisch gesehen sehr viel falsch. Aber Unternehmen haben schon immer im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten gearbeitet. In jedem größeren Unternehmen wird geprüft, was die Grenzen des Erlaubten sind, und in diesem Rahmen wird dann gewirtschaftet. Das war schon immer so und dagegen kann man auch nichts sagen. Ich persönlich glaube auch nicht an die Verantwortung von Unternehmen, vor allem nicht, wenn sie in einem sehr engen Konkurrenzumfeld stecken. Das heißt, verantwortlich kann nur die Politik sein, die einen Rahmen schaffen und allgemeingültige Regeln festlegen muss. Dann funktioniert so ein System auch wieder. 

Welche Rolle kommt der Förderung von Medienkompetenz dabei zu? 

Die Förderung der Medienkompetenz setzt wiederum weder bei der Politik noch bei den Unternehmen, sondern bei den Endnutzern an. Medienkompetenz ist Bildung und Bildung ist wie eine Firewall für Köpfe. Wenn man sich selbst vor Manipulation schützen will, dann ist Bildung beziehungsweise eine gesteigerte Medienkompetenz genau das richtige Mittel. 

In deinem Buch „Das Internet muss weg“ rechnest du mit dem Internet ab und bezeichnest seine aktuelle Version als die „größte Verarschungsmaschine“. Du hast deinen Erfolg aber gänzlich dem Internet zu verdanken. Wie verbindest du diese beiden Sachen? 

Hier ist das ganze Interview, das Schlecky Silberstein zum Medienforum Mittweida 2019 gegeben hat. 

Das komplette Interview mit Schlecky Silberstein beim Medienforum Mittweida 2019. Video: Medienforum Mittweida 2019

Text: Alexander Grau; Titelbild: Medienforum Mittweida 2019, Anton Baranenko, Video: Medienforum Mittweida 2019

<h3>Alexander Grau</h3>

Alexander Grau

geb. 1997 in Leipzig, studiert Medienmanagement im fünften Semester in der Vertiefungsrichtung Journalismus. Bei medienMITTWEIDA ist er als Redakteur und Lektor tätig.