Yussi Pick ist Online-Campaigner, Communication Strategist, Blogger, Lehrer und obendrein TV-Show-Experte. Im Interview mit medienMITTWEIDA spricht der breit aufgestellte Medienprofi über die Obsession mit Fan- und Followerzahlen, „Negative Campaigning“ und die bedenkliche Entwicklung der Medienhäuser.
Yussi Pick kennt sich auch mit dem US-amerikanischen Wahlkampf aus. 2010 war er beispielsweise „Online Communications Director“ bei „Ariana Kelly for Delegate„. So weiß er, welche der dortigen Wahlkampftrends aktuell nach Deutschland übergeschwappt und wie diese zu bewerten sind. Pick ist geschäftsführender Partner im eigenen Unternehmen „Pick & Barth Digital Strategies“, einer Agentur für Kommunikations-, Strategie-, und Kampagnenberater. Zudem ist er ein fester Bestandteil der Medienwelt und somit ein guter Ansprechpartner für die Medienmacher von morgen.
Herr Pick, einer Ihrer letzten Artikel auf Ihrem Blog war mit „Hört auf zu beschreiben, fangt an zu begreifen“ übertitelt. Was wollten Sie Ihren Lesern beziehungsweise den Politikern und deren Presseteams damit sagen?
Die Obsession mit Fan- und Followerzahlen, sowohl auf Seiten der PolitikerInnen als auch auf Seiten der Social Media Analysierer, muss ein Ende haben. Es geht mir auch in meinem Buch nicht primär darum, wie Politiker, also Persönlichkeiten, im Netz funktionieren. Manche sind um- und zugänglich, andere nicht. Daran werden auch Onlinekanäle nichts ändern. Was viel interessanter ist, ob sie und ihre KommunikationsstrategInnen dies verstehen, um dort zum Diskurs beizutragen.
In diesem Jahr scheinen die Wahlkampagnen der einzelnen Parteien noch härtere Geschütze aufzufahren, Stichwort: „Negative Campaigning“. Was denken Sie darüber?
Negative Campaigning erfüllt zwei Dinge: Es mobilisiert und motiviert die eigenen AktivistInnen und es demobilisiert die Nichtüberzeugten – allerdings nicht immer in Richtung des Attackierenden, sondern öfter in Richtung NichtwählerInnengruppe. In den USA nennt sich die Taktik, einen Konkurrenten zu definieren, bevor er/sie sich selbst definieren kann „poisoning the well“, also „den Brunnen vergiften“. Das hat bei Romney gut geklappt. Bevor er sich selbst bei einer breiten Öffentlichkeit vorstellen konnte, wurde er bereits von der Demokratischen Partei – Obama selbst hat sich die Hände kaum schmutzig gemacht – als abgehobener und arroganter Milliardär dargestellt.
Inwiefern hat sich Ihre Sicht auf die Medien verändert, seit Sie selbst Teil von ihnen sind?
Was sich stärker als die Medien selbst verändert hat, ist ihr Konsum: Der ist schneller, kürzer und zeitnäher als je zuvor – und darauf müssen sich Organisationen, die es bisher sehr gut verstanden haben mit den Bedingungen und Taktiken von altem Medienkonsum zu arbeiten, neu einstellen.
Wohin könnten sich die Medien in den nächsten Jahren entwickeln, haben Sie selbst spezielle Pläne oder Visionen bzw. welche Entwicklungen wären notwendig?
Onlinekommunikation bemächtigt Unternehmen und Organisationen immer weiter, direkt mit KundInnen/WählerInnen/AktivistInnen zu sprechen. Die Antwort der Medienhäuser darf aber nicht sein, die Zahl der JournalistInnen zu verringern und jene von PR-ManagerInnen zu erhöhen. Im Gegenteil: Es wird immer wichtiger, dass Menschen dafür bezahlt werden, Fakten zu recherchieren, zu checken und aufzubereiten.
Mehr von Yussi Pick?
Kein Problem! Am 11. und 12. November ist Pick einer der Referenten des Medienforum 2013. Dort wird er gemeinsam mit weiteren spannenden Gästen sein Medien- und Wahlkampf-Know-How bei der Podiumsdiskussion „Wahlkampf – like it“ einfließen lassen. Alle Infos gibt es zeitnah bei uns und auf der Webseite des Medienforums. Seien Sie „Im Puls der Zeit“ und seien Sie dabei!
Das Interview führte: Laura Berghold. Bild: Medienforum Mittweida. Bearbeitung: Susann Kreßner.