Von Wegen Lisbeth: Grande

Von Wegen Lisbeth: Grande

von | 2. Juni 2019

Von Wegen Lisbeth liefern mit ihrem Album Grande ein ganz neues Klangerlebnis.

„Alles Kunst, wenn du tanzt“

Von Wegen Lisbeth: Grande

von | 2. Juni 2019

Die Berliner Indie-Rockband Von Wegen Lisbeth wurde 2006 gegründet – aber unter einem andren Bandnamen. Titelbild: (c) Marian Lenhard (Pressenaterial)

Von Wegen Lisbeth – eine deutsche Band, die alles andere als gewöhnlich ist. Funky Melodien, Wortspiele und ungewöhnliche Instrumente ergeben musikalische Gesellschaftskritik vom Feinsten. Das erste Studioalbum Grande bringt einen zum Schmunzeln, Tanzen oder auch Nachdenken.

Als Vorband von AnnenMayKantereit erlangten die Jungs erstmals Aufmerksamkeit. Nach dem Extended Play (EP) Und plötzlich der Lachs im Jahr 2014, folgte schließlich am 15. Juli 2016 das Debütalbum Grande, mit welchem sie den deutschen Musikmarkt bereicherten. 14 Titel voller Wortakrobatik über die alltäglichen Dinge, Pseudoängsten und die Hipster-Kultur in Kombination mit funkiger Indie-Pop Musik. Klingt nach einer spannenden Mischung? Das ist sie auch. Von Wegen Lisbeth legt mit ihrer ersten Platte die Messlatte gleich ziemlich weit nach oben.

Von Wegen Lisbeth im Portrait

Von Wegen Lisbeth wurde 2006 unter dem Namen „Fluchtweg“ in Berlin gegründet. Seit 2012 gibt es die deutsche Indie-Pop Band jedoch so, wie sie heute auf den Bühnen Deutschlands steht. Matthias Rohde (Gesang, Gitarre), Julian Hölting (E-Bass), Robert Tischer (Synthesiser, Percussion), Doz Zschäbitz (Gitarre) und Julian Zschäbitz (Schlagzeug) erreichten 2014 erste Aufmerksamkeit als Vorband von AnnenMayKantereit. Kurz darauf veröffentlichten sie dann ihre erste EP Und plötzlich der Lachs. 2016 folgte schließlich das erste Debütalbum Grande. Im Mai diesen Jahres erscheint das zweite Studioalbum sweetlilly93@hotmail.com.

„Indie-Pop ist erstmal ein furchtbares Genre“

Eine Indie-Band, die keine Indie-Band sein will. Von Wegen Lisbeth distanziert sich von dem Genre, welches doch eigentlich wie die Faust aufs Auge passt. Der interessante Sound und die außergewöhnlichen Texte in Grande klingen wenig nach populärer Musik, die man häufig in den Charts vorfindet. Doch Matthias Rohde, der Sänger der Band, sagt dazu im Interview mit PULS: „Ich finde, Indie-Pop ist erstmal ein furchtbares Genre. Wir haben das irgendwann mal bei MySpace angegeben, dass wir Indie-Pop machen. Ich würde sagen, wir machen einfach Popmusik.“ Trotz der Distanzierung zum Indie machen Von Wegen Lisbeth wohl doch Musik für Hipster, die keine Hipster sein wollen. Das liegt nicht zuletzt an der neuartigen Soundgestaltung.

Von Wegen Lisbeth distanziert sich klar und deutlich vom Genre Indie. Foto: (c) Marian Lenhard (Pressematerial)

Kinderglockenspiel, elektrische Harfen und Sterni-Flaschen

Einst als Punk-Band mit dem Namen „Fluchtweg“ gestartet durchlebten die Berliner viele Veränderungen ihres Musikstils. Allmählich entwickelte sich die Band aber zu der, die wir heute kennen. Von Punk, über Ska bis hin zur Acht-Bit-Gameboy-Casio-Musik – wie sie es selber nennen. „Es gab jedenfalls nie eine bewusste Entscheidung, jetzt andere Musik zu machen. Hat sich aber unterm Strich gelohnt, denn jetzt wollen endlich auch mal ein paar Leute zum Konzert kommen. Wir hatten schon so viele Konzerte wo mehr Leute auf der Bühne standen als davor“, so der Frontsänger im Interview mit Musikblog.

Ihr heutiger Stil kann skurriler nicht sein. Das Markenzeichen: Mehr Instrumente auf der Bühne als Musiker. Während für den Titel Milchschaum Teile der Melodie auf einer halbvollen Sterni-Flasche eingespielt wurden, kam bei Drüben bei Penny ein Omnichord (elektrische Harfe) und ein Kinderglockenspiel aus dem Spielzeughandel zum Einsatz. „Ich glaube, dass wir trashige Sachen feiern, kommt noch aus der Zeit, als wir so Gameboy-Musik gemacht haben. Das heißt, man braucht nicht immer ein teures Stage-Piano, um einen geilen Sound zu haben, sondern eher die geliehene Steeldrum aus einer Oper in Berlin“, erklärt Bassist Julian Hölting gegenüber PULS.

Tracklist Grande


Grande lässt den Zuhörer in neue Klangwelten eintauchen. 
Foto: COLUMBIA

  1.   Meine Kneipe
  2.   Chérie
  3.   Komm mal rüber bitte
  4.   Drüben bei Penny
  5.   Bitch
  6.   Wenn du tanzt
  7.   Der Untergang des Abendlandes
  8.   Lisa
  9.   Sushi
  10.   Bärwaldpark
  11.   Milchschaum
  12.   Becks Ice
  13.   Unterm Schrank
  14.   Freigetränke

Gesellschaftskritische Wortakrobatik

Von Wegen Lisbeth schnappt sich in Grande die nebensächlichen Dinge des Alltags und verpackt sie in eine Menge Ironie. In Der Untergang des Abendlandes provoziert nicht nur der Songtitel allein. Der Track handelt von alltäglichen Nichtigkeiten, die in raffinierten Textpassagen auf die Schippe genommen werden. „Kann es sein, dass sich ganz von allein dieses Testabo gestern verlängert hat?“, diese Textzeile beschreibt die kleinen Alltagsängste ganz gut und klingt mittels Trompetenspiels etwas beschwipst. Mit Chérie liefert die Band einen tanzbaren Song mit Ohrwurm-Potenzial. Er thematisiert den Selbstdarstellungszwang in den sozialen Netzwerken und alle Probleme, die dabei mit sich kommen. First-World-Problems wie: „Als dein iPhone so grazil in den Landwehrkanal fiel” durchziehen das Lied und laden mit funky Beats zum Mitsingen ein. Ein weiterer Track der Unbeschwertheit ist definitiv Wenn du tanzt, einer der wohl bekanntesten Songs der Band. Und das nicht ohne Grund: Er versprüht den typischen Indie-Charme und es fällt wirklich schwer den Fuß still zu halten.

Natürlich findet auch ein Liebeslied Platz im Album: Bitch ist ein tanzbarer, mit schnellen Schlagzeugschlägen untermalter Hit, der garantiert den ganzen Tag noch im Kopf bleiben wird. Doch es geht auch ruhig und ernst: Die Ballade Bärwaldpark wird von einer langsamen, fast schon melancholischen Melodie begleitet, die sich zum Refrain hin immer weiter aufbaut. „Wenn es regnet bleib drin, wenn es schneit guck halt raus. Doch es schneit ja hier sowieso nicht“, im Mittelpunkt steht hierbei vermutlich das Desinteresse am Umweltschutz und dem Klimawandel, ein durchaus wichtiges Thema, das gerne öfters von Künstlern thematisiert werden sollte. Von Wegen Lisbeth macht es vor. Die Trompete findet schließlich ihr Comeback in Unterm Schrank, ein langsamer, entspannender Song über die Verdrängung von Verpflichtungen.

Ein absoluter Höhepunkt des Albums ist der quirlige Indie-Song Sushi (siehe Video), worin wieder einmal der Instagram-Lifestyle durch den Kakao gezogen wird. „Lina, ich will dein Sushi gar nicht sehen. Warum ist dein Leben so prima? Und du immer so wunderwunderschön?“ – wieder einmal glänzt Von Wegen Lisbeth mit ihrer in Ironie verpackten Alltagsbeobachtung. Trotz der Kritik an die „Influencer“ ist der Song tanzbar, eignet sich perfekt zum mitsingen und verbreitet gute Laune.

Passend zum amüsanten Song liefern Von Wegen Lisbeth ein Video im StopMotion-Stil. Video: YouTube/Von Wegen Lisbeth

Grande ist ein rundes Ding. Es macht Spaß das Album zu hören, da die pointierten Texte auch beim wiederholten Hören noch immer zum Schmunzeln anregen. Denn es ist mit Sicherheit nicht schlecht, sich und die Gesellschaft ab und zu mal auf die Schippe zu nehmen. Die Jungs von Von Wegen Lisbeth machen es vor. Das Tanzbein still zu halten ist nahezu unmöglich, wenn die Platte mit den erfrischenden und sommerlichen Vibes laut aufgedreht wird.

Text: Diane Wellert, Albumcover: (c) COLUMBIA, Titelbild: (c) Marian Lenhard (Pressematerial)

<h3>Diane Wellert</h3>

Diane Wellert

ist 21 Jahre alt, kommt aus Thüringen und studiert an der Hochschule Mittweida aktuell Medienmanagement im fünften Semester. Seit dem Wintersemester 2020/21 ist sie Redakteurin bei medienMITTWEIDA.