Alex Diehl: Ein Leben lang

Alex Diehl: Ein Leben lang

von | 2. Juni 2019

Mit dem Anspruch, keine Superhits sondern ehrliche Songs zu schreiben, trifft Diehls Stimmgewalt ins Herz.

„Das ist keine Show, sondern das echte Leben“

Alex Diehl: Ein Leben lang

von | 2. Juni 2019

Auf dem Weg vom Chiemgau zu den Brettern seiner Welt veröffentlicht Alex Diehl ein komplett analoges Debütalbum. Foto: Klickfinger (Pressematerial)

Kirchenorgel, Kinderchor und klare Texte: Auf seinem Debütalbum Ein Leben lang zeigt Alex Diehl, wer er ist  – absolut bodenständig, mit einem steinigen Weg hinter sich. Das deutschsprachige Songpoeten-Meisterwerk entfaltet sich vor allem durch Diehls Stimmgewalt. Seine Leidenschaft zur Musik brachte ihn vom bayerischen Dorf auf die Bühnen Deutschlands. Auch wenn sie anfangs zu Vertragsauflösungen, Streit und Existenzproblemen führte.

Er bleibt auf jeden Fall in Erinnerung, dieser Mann mit der Gitarre, seinem Hut und dem riesigen Stimmvolumen. Und seine Geschichten, die so mitten aus dem Leben und gleichzeitig so echt erzählt sind, dass spätestens nach dem dritten Song Gänsehaut angesagt ist. Alex Diehl gibt ein Konzert in einem kleinen Theater und zum ersten Mal ist es absolut nicht komisch, dabei zu sitzen. Rumspringen und rumschreien ist hier seltener. Als im Hintergrund ein Chor zur Gitarrenmusik zu singen  beginnt, heißt es Taschentücher rausholen und absolut intime Momente mit knapp 600 weiteren Konzertbesuchern erleben. So ist es, wenn der 31-Jährige die Bühne, also die Bretter seiner Welt, betritt.

Das erste Lied von Ein Leben lang ist das, was eine gute Platte als Opener braucht: Positiv, ermutigend, forsch. Mit den Worten: „Ein Traum, der für sich steht. Er ist es wert, soweit zu gehen” und dem Refrain: „Hör nie auf, an dich zu glauben. Steh auf, so fangen Legenden an”, wird man das Gefühl nicht los, dass Diehl So fangen Legenden an an sich selbst schrieb. An den Jungen, der Superhelden in der Kindheit vergöttert und merkt, dass jede Heldengeschichte einen Menschen dahinter braucht, der an seinem Weg festhält – egal wie schwer er ist. Aber durch den Imperativ spricht der 31-Jährige nicht nur sich, sondern auch den Hörer direkt an und fesselt ihn schon im ersten Lied.

Diehls Live-Auftritte gehen unter die Haut, gerade beim ersten Song in Ein Leben lang. Video: YouTube/Alex Diehl – Thema

Vom kleinen Dorf auf die Bühnen Deutschlands

Dass er mit Musik sein Geld verdienen möchte, war früh klar – und ziemlich alternativlos. Denn mit zwölf Jahren gründete er seine erste Band und mit 17 Jahren schmiss Diehl die Schule, um für seinen großen Traum alles geben zu können. Was ihn neben seinem Wohnort, einem kleinen Dorf im Chiemgau, von anderen Künstlern unterscheidet? Seine klaren Meinungsäußerungen. Robin Hood heißt eine der beiden Singles dieses Albums, die die kapitalistische Gesellschaft kritisiert. Mit politischen Statements hinterm Berg zu halten, kommt für ihn nicht in Frage, betont er gegenüber medienMITTWEIDA im Interview: „Ich empfinde es sogar als Pflicht, egal mit welcher Reichweite, seine Meinung kundzutun. Ich habe für meine Texte nicht nur einmal Kritik eingesteckt aus konservativen oder rechten Lagern.“ Das gehöre dazu, er sei gerne bereit, den ein oder anderen Zuschauer zu verlieren. Dafür wolle er bei sich selbst sein und die Zunge nicht zähmen zu müssen, wenn sie mal wieder in Flammen steht.

Alex Diehl im Portrait

Alex Diehl wurde 1987 im Landkreis Traunstein in einem kleinen Dorf geboren und lebt heute in Südbayern. 2013 stellte er bei seinem Showcase sein Debütalbum Produzenten vor und produzierte ein Jahr später Ein Leben lang bei Sony Music, ehe er mit Sängern wie Laith-Al Deen, Revolverheld und Xavier Naidoo als Support auf Tour ging. Bekannt wurde der Singer/Songwriter vor allem durch seine Teilnahme beim ESC-Vorentscheid 2016, als er den zweiten Platz hinter Siegerin Jamie-Lee Kriewitz belegte. Den Song dafür, Nur ein Lied, nahm er spontan für Facebook nach den Terroranschlägen in Paris 2015 auf, bekam Millionen Klicks und hielt sich drei Wochen in den deutschen Charts. Für den Vorentscheid sang er den Song sogar mehrsprachig. Es folgten Auftritte für die BR-Sternstunden, die HOPE Gala in Dresden und andere karitative Zwecke. Mit zwölf Jahren spielte er in seiner ersten Band. Fünf Jahre später schmiss Diehl die Schule und kämpfte sich als Musiklehrer und Coversänger durch. Sein zweites Album Bretter meiner Welt (2016) mit den Singels Nur ein Lied, Silvester und In meiner Seele (produziert von Universal Music) hielt sich eine Woche in den Charts. Momentan ist Diehl nach langer Pause aufgrund stimmlicher Beschwerden wieder auf Deutschlandtour.

Kirchenorgeln und Kinderchor

Apropos in Flammen stehen und politisch klare Kante: Diese Liedzeile mag aufmerksamen Eurovision Song Contest (ESC)-Zuschauern vielleicht bekannt vorkommen: 2016 nahm Diehl beim Vorentscheid zum ESC teil und holte mit seinem extra für diesen Wettbewerb mehrsprachigen Song Nur ein Lied Platz Zwei. Die Verse hat Diehl völlig spontan zu Papier gebracht – in der Nacht nach den Anschlägen in Paris im November 2015. Dass Diehl Songs über Nacht schreibt, ist keine Seltenheit: „Ich schreibe nie länger als maximal eine Stunde an einem Text. Danach ist es nur gekünstelt”, erzählt er. 

Die Produktion von Ein Leben lang nahm aber deutlich mehr Zeit in Anspruch, denn Alex Diehl verzichtete komplett auf Synthesizer und Co und nahm alles analog auf. Also sind Kirchenorgeln genauso dabei wie ein Kinderchor aus Diehls alter Schule. In dem Promo-Material für sein Album beschreibt er dessen Besonderheit: „Wir haben wahnsinnig alte Mikrofone genommen, haben auf Band aufgenommen, um diese Produktion eben so authentisch wie möglich zu machen.” Dazu kommt noch ein Orchester – auch das war das erste Mal für Diehl. Er sei durchgedreht vor lauter Glück und wegen der Größe des Orchesters: „Es war episch.”

Musik als Therapie

Man merkt Diehl auch in den Gesprächen mit ihm nach Konzerten oder während des Interviews an, wie wichtig es ist, authentisch zu bleiben. Musik ist für ihn Therapie – und für den Zuhörer auch. Wer sich Ein Leben lang nur nebenbei anhört, wird erschlagen. Erschlagen von Worten, Geschichten und Liedern, in denen vor allem im Mittelteil des Albums der Text und nicht die Lautstärke der Musik im Vordergrund steht. Alex Diehl ist nichts für die 0815-Hörer – das möchte er aber auch gar nicht sein. „Wichtiger ist mir, dass die Menschen wissen, dass das hier keine Show ist und ich kein Popstar mit Übergewicht bin, sondern das hier echtes Leben ist.”

Die Gitarre ist sein ständiger Begleiter: Singer/Songwriter Alex Diehl. Foto: Klickfinger (Pressematerial)

Emotion pur

Der emotionale Höhepunkt des Albums ist Ein Feuer brennt. Jeder, der in seinem Leben schon zum ersten Mal am Grab eines nahestehenden Menschen stand, wird diese Verse verstehen: „Ein Feuer brennt, hier nur für dich. Verjagt die Schatten, gibt uns Licht. Um zu sehen, was wirklich zählt, hast du gebrannt für diese Welt.” Wie auch in den meisten anderen Songs kommt der Komponist mit wenig Pompösen aus: Akustikgitarre, Schlagzeug, Klavier, etwas Bass und eine sonore, raumfüllende Stimme. Die streicherlastige Orchestermelodie tut ihr Übriges, dass sich Tränen bilden.

Einziger Kritikpunkt: Die zweite und dritte Stimme, die nicht nur in diesem Lied das Flair des Songs zerstören, weil sie unterschiedliche Texte singen. Jetzt ist der inhaltlich „negative” Teil des Albums vorbei und mit Keine Angst sowie der zweiten Single Furchtlos ist die Devise des ersten Songs wieder erkennbar: Packs an – egal, was dein Traum ist.

Der textliche und musikalische Höhepunkt? Dem Sturm entgegen. Eine Hymne, die sich für den Start in einen neuen Lebensabschnitt eignet, mit dynamischer Melodie, eingängigem Rhythmus und Ohrwurm-Potential. „Ich breit die Arme aus und lauf dem Sturm entgegen, ich schrei es in den Wind: ‚Ich bin am Leben! Ich geb’ zu, die Vergangenheit tut mir noch weh, doch sie verletzt mich nicht mehr!” 

Rauswurf beim Plattenlabel

Vergangenheit ist für Alex Diehl sein Label Sony Music, das sein Album produziert hat. Ihm wurde gekündigt. „Beim ersten Album wurde ich ganz schön durch den ‚Produzenten- und Songwriterfleischwolf’ gedreht. Man hat mir und meinen eigenen Ideen nicht sehr viel Platz gelassen. Andere Leute haben sich damit beschäftigt, was ich darzustellen habe und weniger mich stattfinden lassen.” 

Deshalb klingt sein Resümee zur Produktion des Debütalbums auch sehr ehrlich: „Es war das erste Mal. Es ist alles schiefgelaufen, was nur schieflaufen kann. Ich habe viele vertragliche Fehler gemacht und habe mir viel reinreden lassen, mit der Angst im Nacken, dass ich, wenn’s nicht läuft, weg vom Fenster bin. Dem war dann auch so.” Auf Platz 101 der Charts kam er – ein Flop für die damalige Plattenfirma. Zwei Jahre später sei dann der Rauswurf gefolgt und bei Universal Music sein nächster Plattenvertrag. Beim neuen Label veröffentlichte er das Album Bretter meiner Welt.

Tracklist: Ein Leben lang

Albumcover: Cover Illustration:  Emanuele La Motta /Artwork: Stefan Klein (Klasse 3b)

  1. So fangen Legenden an
  2. Robin Hood
  3. Aus Sommer wird Novemberrain
  4. Ein Platz für dich
  5. Zeiten ändern sich
  6. Du bist mir fremd
  7. Ein Feuer brennt
  8. Keine Angst mehr
  9. Furchtlos
  10. Stell dir vor
  11. Für ewig
  12. Dem Sturm entgegen
  13. Weitergehen

Das letzte Lied ist das wichtigste für ihn

Album drei ist auch schon in Planung und hinter den Kulissen schon sehr weit, wie er auf Instagram  bekannt gibt. 2020 soll es dann veröffentlicht werden. Bis auf die finale Produktion läge alles in seinen Händen, erzählt Diehl medienMITTWEIDA. Da bin ich zu 100 Prozent ich selbst.

Es wird also weitergehen mit seiner Leidenschaft Musik – genau das sind die letzten Worte auf seinem Debüt-Album. Weitergehen heißt der Song, der Diehl noch fünf Jahre nach der Veröffentlichung der Platte begleitet. „Der wichtigste Song der ersten Platte mit Abstand. Ich habe ihn für meine kleine Schwester geschrieben als sie ihre Krebsdiagnose mit 22 Jahren erhielt, um ihr Mut zu machen und auf meine Art und Weise für sie da zu sein.” Seit diesem Tag habe er auf keiner Setlist gefehlt.

Alex Diehl, das Stimmwunder aus dem tiefsten Bayern, ist nicht nur auf dem Album absolut hörenswert, vor allem live ist sein Konzert ein Erlebnis und besser als jede Achterbahnfahrt. Denn die Bühne ist sein Wohnzimmer und sobald das Publikum dazu kommt, wird es sein Zuhause. In seinem Promo-Material sagt er auch: „Ich hoffe, dass mit meinen Worten Menschen erreicht werden, die das mit mir teilen. Das ist das großartigste, was ich mir vorstellen kann und der Traum, aus dem ich meine ganze Kraft schöpfe.”

Text: Annika Braun, Fotos: Klickfinger (Pressematerial), Albumcover: Cover Illustration:  Emanuele La Motta, Artwork: Stefan Klein (Klasse 3b)

<h3>Annika Braun</h3>

Annika Braun

studiert Medienmanagement an der Hochschule Mittweida in der Vertiefung Journalismus und ist 21 Jahre alt. Als Chefredakteurin bei medienMITTWEIDA ist sie in diesem Semester für die inhaltliche Leitung der Redaktion verantwortlich. Erste journalistische Erfahrungen machte Annika zwischen Abitur und Studium im Lokalradio und -redaktion in ihrer Heimat Bayern. In Mittweida ist sie derzeit noch beim Radio in der Sportsendung zu hören, außerdem hat sie mit sieben Kommilitonen ein Journalismus-Startup gegründet, das Nachrichten für soziale Netzwerke aufbereitet.