Bakkushan: Kopf im Sturm

Bakkushan: Kopf im Sturm

von | 28. Mai 2019

Die Band Bakkushan existiert nicht mehr - doch sie hinterlassen ein Deutschrock-Highlight für die Ewigkeit.

„Niemand warnt dich“

Bakkushan: Kopf im Sturm

von | 28. Mai 2019

Die Mannheimer Boyband Bakkushan existierte acht Jahre lang, 2015 trennten sich die vier Jungs. Foto: mediabase/Pressebilder

Kopf im Sturm war das zweite und letzte Album der Band Bakkushan. Mit etwas Abstand ist Kapelle und Platte kaum jemanden noch ein Begriff – dabei gehört es zu den besten kommerziellen Longplayern des Deutschrock der letzten zwei Jahrzehnte.

Es gibt Bands und Künstler, deren Abgang man eigentlich gar nicht mehr erwarten kann, weil sie seit gefühlten Jahrhunderten präsent sind, aber ihre besten Zeiten längst hinter sich wissen. All jene überflüssige Studio-, Live- und Deluxe-Alben, die die letzten Tropfen einer einstigen Hit-Zitrone ausquetschen sollen, ohne dass sie uns auch nur irgendetwas zu sagen hätten. Und dann gibt es da noch Bakkushan, die vierköpfige Band aus Mannheim, die sich während des Studiums an der Popakademie Baden-Württemberg gründete, wenige Jahre später bereits das letzte Lebenszeichen verlauten ließ und bis heute verschwand. Sie hinterlassen zwei Studioalben.

Bakkushan im Portrait

Die Band Bakkushan bestand aus Sänger Daniel Schmidt, Gitarrist Robert Kerner, Bassist Christian Kalle und Schlagzeuger Jan Siekmann. Gegründet im Juni 2007, veröffentlichten sie noch im selben Jahr die erste EP Springwut, ehe 2010 das Debütalbum Bakkushan und 2012 Kopf im Sturm erschien. Beide Alben stiegen kurz in die Charts ein. Gitarrist und Schlagzeuger verließen die Band 2013, seit 2015 gilt die Band als aufgelöst. Sie war der deutschsprachigen Rockmusik angesiedelt und gab Mannheim als ihre Hometown an.

Weniger Tanz, mehr Poesie

Wo das gleichnamige Debütalbum Bakkushan noch mit jugendlich-verspieltem Indie-Rock und einer Prise Pop-Punk aufwartet, ohne dass man am Ende zweifelsfrei sagen könnte, was Sänger Daniel Schmidt und seine drei Mitstreiter ihrem Zuhörer sagen wollten, präsentiert sich das Folgealbum Kopf im Sturm klarer, tiefgründiger, reifer – kurzum: Erwachsen. Unter „Erwachsenwerden“ verstehen Bakkushan aber nicht „Radio-Pop ohne Gitarre machen“, so wie es die Revolverhelden, Silbermonde und Christina Stürmers der Republik verstanden haben. Stattdessen zeigen sie mit authentischen Texten, einem recht klar festgelegten Genre und dennoch der ein oder anderen klanglichen Überraschung, wie Weiterentwicklung auch funktionieren kann. Damit ist Kopf im Sturm zwar stellenweise weniger tanzbar als sein Vorgänger, hält dafür aber sehr amtliche Arrangements und poetische Zeilen parat.

Das wird aber noch nicht sofort klar. Das Intro Vorhang auf knüpft musikalisch nochmal an das Debütalbum an, während die Band textlich fordert: „Weniger Sommer, mehr Emotionen, weniger Stillstand, mehr Explosionen.“ Die Emotionen kommen sofort, als sich im Anschluss zum ersten Mal ein Bakkushan-Song mit Streichorchester zwischen lauten Drums und knackiger Telecaster-Klampfe ankündigt. Der letzte Mensch der Welt wirkt trotz großem Dur-Anteil fast ein bisschen düster, erzählt davon „schon viel zu lange wach“ zu sein. Ex-Jupiter Jones-Sänger Nicholas Müller, der an depressiven Angststörungen leidet, hat den Text mit Sänger Daniel Schmidt geschrieben und ihm einen interessanten Mix aus Hoffnungslosigkeit und Hoffnung verpasst.

Emotionales Meisterwerk

Mit Nur die Nacht ist Titel drei dann auch schon das absolute Highlight des Longplayers. Lieder über vergangene Liebe gibt es wie Sand am Meer, aber was Bakkushan hier geschaffen hat, grenzt an ein emotionales Meisterwerk. Folgerichtig koppelte Bakkushan den Titel auch als Single aus. Mit 150 bpm (Tempoeinheit, „beats per minute“) mutet der Song zunächst gar nicht wie ein Herzschmerz-Titel, der durchschnittlich etwas halb so schnell ist, an. Textlich kommt Schmidt dann aber schnell zum Punkt und stellt fest: „Die Zeit heilt, was sie kann, doch nichts für immer“, ehe er resigniert erklärt: „Man sagt, es wird schon wieder, doch es stimmt nicht, nichts wird wie es war.“ Da trifft auf drei Minuten und 43 Sekunden jede Zeile ins Herz – Chapeau!

Ähnlich könnte das Fazit auch für Sag nur ein Wort ausfallen. Textlich wiederholt unendlich stark, wird Sänger Daniel Schmidt so ehrlich wie selten zuvor in den Songs seiner Band. Erneut begleiten orchestrale Streicher das Bandgebilde, was der Ballade emotional die Krone aufsetzt. „Ganz schön poppig“, könnte man da erstmals denken. „Überrascht und funktioniert“, kann man dagegen halten. „Dann schwören wir für ein Leben lang, dass wir zusammengehören“, endet der Song und passt damit zu einem Liebescomeback mindestens genauso gut wie für eine Hochzeit, ohne auch nur eine Sekunde lang kitschig zu werden.

Für eine traurige Ballade zu rockig und deswegen perfekt und ohrwurmverdächtig: Nur die Nacht. Video: YouTube/BakkushanVEVO

Geheimfavorit Sollbruchstelle

Im Anschluss beginnen Bakkushan bei Du nervst weil…Fuck you zu schreien und unterstützen das Hardcore-ähnliche Gebrüll mit Verzerrern auf Anschlag und Punk-Riff. Da auch der Text innerhalb von knapp drei Minuten gar nichts zu erzählen hat, bleibt nur die Frage, wie es diese Nummer auf die sonst so stilvolle Platte schaffen konnte. Das ist ein kleiner Rückschlag, der aber zum Glück nicht lange andauert, da Besser geht’s nicht beweist, dass es die Mannheimer Jungs doch viel besser können.

Auch in den übrigen Songs legen Bakkushan die Messlatte hoch, wenn es um die eindrucksvolle Kombination sportlicher Riffs, gefühlvoller Texte und Ohrwurm-Melodien geht. Sollbruchstelle ist möglicherweise ein Geheimfavorit der Platte, für alle, denen Nur die Nacht und Sag nur ein Wort doch etwas zu romantisch erscheinen.

Tracklist: Kopf im Sturm

  1.     Vorhang auf
  2.     Der letzte Mensch der Welt
  3.     Nur die Nacht
  4.     Solang du schimmerst
  5.     Das ist für euch
  6.     Sag nur ein Wort
  7.     Du nervst weil…Fuck you!
  8.     Besser geht’s nicht
  9.     Sollbruchstelle
  10.  Parallel
  11.  1000 Farben grau
  12.  Ich hasse die Liebe
  13. Niemand warnt dich

„Es endet noch, bevor wir es beginnen“

Bakkushan, deren Name im Japanischen eine Frau meint, die von hinten besser aussieht als von vorne, existiert heute nicht mehr. Zuerst verließen Gitarrist Robert Kerner und Schlagzeuger Jan Siekmann die Band unerwartet im März 2013, seit 2015 fehlt auch vom Rest der Truppe jedes Lebenszeichen. Die Homepage wurde abgemeldet, Kommentare und Nachrichten auf der Facebook-Seite bleiben seit vier Jahren unbeantwortet. Einzig Ex-Drummer Jan Siekmann antwortete auf medienMITTWEIDA-Nachfrage kurz: „Bakkushan ist, glaube ich, Geschichte.“

Niemand warnt dich heißt der letzte Song des Albums Kopf im Sturm und damit wohl auch der letzte Song von Bakkushan. Aus heutiger Sicht betrachtet, scheint es wie eine Vorankündigung des Abschiedes: „Es endet noch, bevor wir es beginnen, niemand warnt dich.“

Text: Toni Kraus, Fotos: musikbase/Pressebilder

<h3>Toni Kraus</h3>

Toni Kraus

studiert Medienmanagement im 6. Semester an der Hochschule Mittweida in der Vertiefungsrichtung Journalismus. Als Chefredakteur organisiert und koordiniert er die Redaktion und die publizierten Inhalte von medienMITTWEIDA. Als freiberuflicher Musiker ist er selbst oft Protagonist journalistischer Berichterstattung, betrachtet diese nun aber als Redakteur zusätzlich aus der Perspektive des Gegenüber.