The Beach Boys: Pet Sounds

The Beach Boys: Pet Sounds

von | 2. Juni 2019

Mit ihrem innovativen und experimentellen Album Pet Sounds schrieben die Beach Boys Musikgeschichte.

„I just wasn’t made for these times“

The Beach Boys: Pet Sounds

von | 2. Juni 2019

Durch Hits wie Surfin’ Safari und Surfer Girl gelangten die Beach Boys zu Berühmtheit – dabei konnte nur einer der Beach Boys tatsächlich surfen. Foto: © Capitol Photo Archives (Pressematerial)

Nach einem Nervenzusammenbruch im Jahr 1964 zog sich Brian Wilson, Kopf der Beach Boys, aus dem Tourleben der Band zurück, um sich zu Hause ganz auf das Komponieren und Schreiben von Liedern zu konzentrieren. Während seine Bandmitglieder weiter tourten, verbrachte er die meiste Zeit im Studio. Sein selbsternanntes Ziel: Das beste Rock’n’Roll-Album aller Zeiten zu komponieren. Am 16. Mai 1966 war es dann soweit: Die Beach Boys veröffentlichen ihr elftes Studioalbum Pet Sounds.

The Beach Boys im Portrait

The Beach Boys wurden 1961 von den Brüdern Brian, Carl und Dennis Wilson gemeinsam mit ihrem Cousin Mike Love u­­nd Brians Schulfreund Alan Jardine gegründet. Mit Songs wie Surfin‘ U.S.A. oder I Get Around entwickelte sich die als Garagenband gegründete Gruppe innerhalb weniger Jahre zu einer der erfolgreichsten Rockbands Amerikas. Insgesamt 36 Hits in den Top 40 der amerikanischen Billboard-Charts sowie 54 in den Billboard Hot 100 konnten die Beach Boys für sich verbuchen – mehr als jede andere amerikanische Band. An den Höhepunkt von 1966 mit dem Album Pet Sounds, welches vom Musikmagazin Rolling Stone auf Platz zwei der 500 besten Alben aller Zeiten gesetzt wurde, konnten die Beach Boys jedoch nicht mehr anknüpfen. Besonders Brian Wilson machte das Scheitern seines Nachfolgealbums Smile zu schaffen. Jahrelang kämpfte er mit psychischen Problemen und Drogenmissbräuchen. Zwar veröffentlichte die Band bis 1992 weiterhin Alben in unregelmäßigen Abständen, der große Erfolg blieb jedoch aus. Nachdem Dennis Wilson 1993 bei einem Unfall ertrank und sein Bruder Carl fünf Jahre später an Lungenkrebs verstarb, brach die Band auseinander. Erst 2012 fanden sich Brian Wilson, Mike Love und Al Jardine wieder zusammen, um zum 50. Bandjubiläum ein Album aufzunehmen und auf Welttournee zu gehen.

Auf der Suche nach neuen Sounds

Angespornt durch den Konkurrenzdruck der Beatles und inspiriert durch deren Album Rubber Soul, wuchs Brian Wilson über sich hinaus. Für das Album engagierte er die besten Studiomusiker, die Los Angeles zu bieten hatte und schon vorher mit Größen wie Bob Dylan, Frank Sinatra und Phil Spector zusammengearbeitet hatten. Beim Schreiben der Songtexte setze Wilson außerdem zum ersten Mal nicht mehr auf die Zusammenarbeit mit Bandkollege Mike Love, sondern holte sich Tony Asher mit an Bord, welcher bis zu diesem Zeitpunkt nur Texte für Werbejingles geschrieben hatte. Auch wenn Asher damals einen Großteil der Texte schrieb, erzählte er im Gespräch mit Journalist Nick Kent, der allgemeine Inhalt der Texte sei damals von Wilson ausgegangen. „Ich war wirklich nur sein Übersetzer.“

Das Ergebnis dieser Kollaborationen ist ein etwa 36-minütiges Album bestehend aus 13 Tracks, das sich von allem unterscheidet, was die Beach Boys bis zu diesem Zeitpunkt produziert hatten. Waren die alten Alben mit Hits wie Surfin’ U.S.A., I Get Around, California Girls und Help Me, Rhonda eher geprägt vom unbeschwerten kalifornischen Lifestyle, so hatte Pet Sounds nichts mehr mit den üblichen Beach Boys Themen – Strand, Surfen, Mädchen und Autos – zu tun. Stattdessen behandeln die Lieder Themen wie Liebesbeziehungen und die verschiedenen Emotionen, die man dadurch erlebt.  So spannt das Album den Bogen von der Sehnsucht nach einer gemeinsamen Zukunft (Would’t It Be Nice) bis hin zu einem Gefühl von Verlust und Enttäuschung über eine verflossene Jugendliebe in Caroline, No. Auch stille Momentaufnahmen eine Romanze wie in Don’t Talk (Put Your Head on My Shoulder) oder Lieder über die Unberechenbarkeit von zwischenmenschlichen Beziehungen und Liebeskummer (Here Today) finden ihren Platz auf dem Album.

Tracklist: Pet Sounds


Foto: EMI Music US (Pressematerial)

Seite A
1. Wouldn’t It Be Nice
2. You Still Believe in Me
3. That’s Not Me
4. Don’t Talk (Put Your Head on My Shoulder)
5. I’m Waiting for the Day
6. Let’s Go Away for Awhile
7. Sloop John B

Seite B
8. God Only Knows
9. I Know There’s an Answer
10. Here Today
11. I Just Wasn’t Made for These Times
12. Pet Sounds
13. Caroline, No

Ein Album voller Experimente

In einem Interview über die Entstehungsgeschichte des Albums erklärt Brian Wilson, warum der Einschlag in eine neue Richtung erfolgte: „Mit Pet Sounds wollte ich Lieder schreiben, die wirklich das reflektierten was ich fühlte und wie ich über das Leben dachte. Etwas, das wirklich tief aus meiner Seele kam, anstatt nur Lieder über das Surfen oder über Autos zu schreiben“. ­Doch mit dieser Sichtweise stieß Wilson bei seinen Bandkollegen nicht unbedingt auf Anklang. Als der Rest der Beach Boys von ihrer Japan-Tour wiederkam, fühlten sie sich regelrecht vor den Kopf gestoßen, denn Brian präsentierte ihnen ein fast komplettes Album, das sie nur noch einzusingen hatten.

Die von Wilson – teilweise unter dem Einfluss von Drogen – produzierten Instrumentaltracks ähnelten eher barocken Minisinfonien als den sonst üblichen, klassischen Rock’n Roll-Arrangements. Besonders Brians Experimente mit verschiedenen Instrumenten waren herausstechend für diese Album. So findet man auf Pet Sounds neben Gitarren, Schlagzeug, Bass und Klavier auch noch andere – für die Popmusik sehr ungewöhnliche – Instrumente wie Waldhörner, Theremine und Piccolos. Bei genauerem Hinhören entdeckt man zudem weitere unkonventionelle Sounds, wie zum Beispiel Fahrradklingeln und Hupen in You Still Believe In Me oder auch perkussive Effekte erzeugt durch das Klappern mit Löffeln oder das Trommeln auf Plastikflaschen und Cola-Dosen.

Wilson experimentierte jedoch nicht nur mit musikalischen Arrangements, sondern auch mit Drogen. In I Know There’s an Answer reflektiert er seine Erfahrungen mit LSD. Dieses heikle Thema sorgte unter anderem für Reibungen zwischen Brian Wilson und Mike Love. Letzterer konnte Brians Vision eines neuen Sounds nicht nachvollziehen, wo sich doch die Songs unter dem alten Beach Boys-Schema bislang immer bewährt hatten. Ganz nach dem Motto: „Don’t fuck with the formula.“ Brian ließ sich jedoch nicht von seinen künstlerischen Vorstellungen abbringen. Seinen Frust und das Gefühl des Nicht-Verstanden-Werdens verarbeitet er in dem Song I Just Wasn’t Made for These Times:

„Every time I get the inspiration
to go change things around.
No one wants to help me look for places
where new things might be found“

I Just Wasn’t Made For These Times (1966)
The Beach Boys

Musik für die Ewigkeit

Brian Wilson hatte damals durchaus Recht, wenn er sang, er sei nicht für diese Zeit geschaffen. Tatsächlich war er seiner Zeit sogar weit voraus. So ist es wohl auch zu erklären, dass Pet Sounds erst im Jahr 2000 Goldstatus erreichte. Zum Glück für die Musikwelt konnte sich Wilson damals gegen die Skeptiker durchsetzen und sein Herzensprojekt Pet Sounds produzieren.

Auch wenn die Veröffentlichung der Platte mitteile mehr als ein halbes Jahrhundert zurückliegt, so ist die Musik keineswegs altbacken. Ganz im Gegenteil. Mit Pet Sounds haben die Beach Boys ein zeitloses Meisterwerk geschaffen. Laut Brian Wilson liegt das vor allem an den unglaublichen Harmonien, wie er 2017 in einem Interview feststellte . Und die singen die sechs Bandmitglieder so sanft und geschmeidig, als wären sie nicht von dieser Welt. Aber auch Brian Wilsons klare Falsettstimme, die besonders in Caroline, No so bittersüß dahinschwelgt, tut sein Übriges. Zur Abwechslung ganz ohne Backgroundgesang verleiht sie dem Song eine gewisse Melancholie und Verletzlichkeit, welche auch noch über 50 Jahre nach dem Erscheinen des Albums nachhallt.

Das Bellen zweier Hunde und die Geräusche eines vorbeifahrenden Zuges am Ende von Caroline, No bilden den herzzerreißenden Schluss des Albums. Video: YouTube/The Beach Boys – Caroline, No

Text: Marie Kühnemann, Fotos: © Capitol Photo Archives/EMI Music US

<h3>Marie Kühnemann</h3>

Marie Kühnemann

geb. 1996, studiert seit Oktober 2017 Medienmanagement mit dem Schwerpunkt Media and Economics an der Hochschule Mittweida. Bei medienMITTWEIDA ist sie seit Beginn des Wintersemesters 18/19 als Leiterin der Redaktionsgruppe Design tätig.